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Das göttliche Dutzend

Das göttliche Dutzend

Titel: Das göttliche Dutzend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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seine Gesichtsmuskulatur an, schloß die Augen und machte sich auf den Schlag gefaßt.
    Schoysals Klaue zischte durch die Luft … und hielt plötzlich inne. Einen knappen Zoll vor Zorns Wange wurde sie zurückgezogen.
    Ein Schatten der Verwirrung huschte über das Gesicht des unentschlossen zitternden Dämonen. »Also … äh … Es war nur eine Warnung, klar? N-nächstes Mal setzt es wirklich was, und dann wird’s dir leid tun.« Er drohte Zorn wenig überzeugend mit einer Kralle, als wolle er seine Autorität wiederherstellen.
    Er hatte das Gefühl, als hätte im Unterbewußtsein etwas seinen Arm festgehalten. Etwas beunruhigend Vertrautes.
    Nabob runzelte fragend die Stirn und zweifelte wieder einmal an Schoysals Geisteszustand.
    Schoysal hielt dem Prediger knurrend eine Strichmännchenzeichnung vor die Nase. »Hier! Erklären!« bellte er. Nabob trat hinter Zorn und glotzte die Illustration an.
    Zorn wand sich unbehaglich, blinzelte und musterte das Dokument. Seine Hände liefen unter den engen Fesseln rot an. Erklärung! Er biß die Zähne zusammen und setzte zu einem Bluff an. »Also … Es sieht nach einer Dämonenhorde aus. Sie tanzen, und …«
    »Es ist kein Tanz!« rief Schoysal. »Es ist ein Kampf! Schau genau hin! Sie halten Dreizacke! Siehst du, daß es Dreizacke sind?«
    »Sind Sie sicher, daß es keine Mistgabeln sind? Es könnte ein Scheunenfest sein. Den Griff da hab ich schon oft gesehen. Heißt, glaube ich ›Schäl die Weide‹. Ich könnte mich aber auch irren.«
    »Siehst du?« murmelte Nabob. »Ich hab’s dir doch gesagt. Ein Höhlentanz.«
    Plötzlich wurde das Scheuern der Seile, die seine Hände abschnürten, zuviel für Zorn. Eine Schmerzwelle spülte jede Erinnerung an den Alt-Tallinisch-Intensivkurs in einen Ozean des Vergessens. Er keuchte und wand sich unbehaglich in seinem erstickenden Hanfkokon.
    »Tun die Seile weh?« fragten Nabob und Schoysal gleichzeitig und mit erschreckend ehrlichem Mitgefühl.
    Im nächsten Augenblick befanden sie sich am anderen Ende der Höhle und zitterten wie Espenlaub. Die Pergamentbögen segelten zu Boden. Nabob biß sich auf die Zunge und unterdrückte verzweifelt den Drang, Zorn zu trösten. Er konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, zu ihm zu springen, ihn loszuschneiden und ihm einen Doppelkorn anzubieten.
    »Was … Was ist hier los?« stammelte er und krallte sich an seinen Kieselsack.
    Als Schoysal die Angst und Verwirrung in Nabobs Zügen sah, zeichnete sich hysterische Erleichterung auf seiner Miene ab. »Siehst du? Du hast es also auch gespürt, nicht wahr?« flüsterte er eindringlich. »Streite es nicht ab. Du kannst es nicht abstreiten. Du wolltest ihm helfen. Wolltest die Stricke lösen, ihn mit allen erdenklichen Annehmlichkeiten überhäufen, es ihm urgemütlich machen …«
    »Es war widerlich«, gestand Nabob und schüttelte beschämt den Kopf.
    »Sieh es ein, du wolltest gut sein!« sagte Schoysal vorwurfsvoll. »Und es hat dich glücklich gemacht. Du hättest singend durch den Raum hopsen können. Du wolltest fröhlich sein!«
    »Pssst, leise. Mein Ruf! Ich … Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist!«
    »Du hast wieder die Kontrolle verloren. Genau wie auf der Straße, als er gepredigt hat. Weißt du noch?« schnatterte Schoysal mit einem seltsamen Unterton von Furcht in der Stimme. Es war jene Art Beben, mit dem ein Sechsjähriger ›Ich hab ihn, Papa. Siehst du?‹ riefe, der sich beim Picknick plötzlich am Schwanz eines brüllenden Tigers festhält.
    »Wie könnte ich es je vergessen?« Nabob wurde hellgrau, als er sich an das Bedürfnis erinnerte, zur Wunderwäsche bekehrt zu werden. »Aber was bedeutet es?«
    »Hast du es noch immer nicht begriffen?« stammelte Schoysal. Er zitterte wie jemand, der vor Aufregung fast explodiert.
    Nabob schüttelte widerwillig den Kopf. Langsam stank es ihm wirklich, daß Schoysal immer mehr wußte als er. Es war so erniedrigend.
    »Es ist … eine Geheimwaffe!«
    Nabob brach in erleichtertes Gelächter aus. Jetzt war’s passiert. Schoysal war endgültig durchgedreht. Daran gab es keinen Zweifel mehr.
    »Worüber lachst du?« fauchte Schoysal gereizt. »Laß das!«
    »Hach, das ist witzig!« kreischte Nabob hysterisch. »Aua, meine Rippen. – Eine Geheimwaffe? Wie denn? Etwa: Hände hoch! Geld raus, oder ich erwecke in Ihnen das Bedürfnis, mir Tee und Gebäck anzubieten? – Nein, ich weiß: Jawoll, du könntest Byrernst packen, ihm den Prediger drohend an den Kopf drücken und

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