Das göttliche Dutzend
musterte verlegen seine Sandalen.
»Häh? Nun red schon!« kläffte Zuphall. »Haste was davon gesehen oder nicht?«
»Nein … Ich … ähm … war in letzter Zeit ziemlich beschäftigt. Hab mich … sozusagen … auf … ähm … andere Dinge konz …« Die Stimme des Mannes verblaßte.
»Auf was? Spuck’s aus, Mann!«
Der Befragte errötete und schaute sich nervös um. »Auf … auf Luphans Hochzeit. Ich … Ich wollte ganz sicher sein, daß sie gut wird. Ich bin sein größter Fan, und … äh … wirklich.«
»Ich bin sein größter Fan«, kam eine Stimme aus dem Hintergrund. »Ich habe jede ›Glücksstern‹-Folge gesehen, echt; wirklich jede. Ich kenn auch all seine Sprüche …«
»Pah«, sagte ein anderer. »Du willst sein größter Fan sein? Ich hab ihn schon gekannt, da war er noch gar nicht auf der Bühne.«
»Und ich«, schrie der nächste, »hab ihn überhaupt erst dazu überredet, es mal mit der Bühne zu versuchen …!«
Es wäre zu einer Kinnhakenschlacht gekommen, wenn Hauptmann Zuphall nicht auf den marmornen Prophetentisch gestiegen wäre, sich nicht aufgerichtet und mit einem Dutzend Echos fester Hiebe seinen Spazierstock auf dessen Oberfläche geknallt hätte.
In die nachfolgende Stille flötete ein Piepsstimmchen von ganz hinten: »Wenn es eine … ähm … Handlung der Götter war, war es aber ziemlich abgefahren.«
Alle Blicke im Saal wandten sich um, richteten sich auf die offensichtliche Blasphemie und verlangten nach einer Antwort.
Der ungebetene Kommentator war der ziemlich verloren wirkende Ghorch Vogg. Er lächelte verlegen und hatte wenigstens den Anstand, verlegen zu erröten, bevor Hauptmann Zuphalls dirigierender Finger ihn vor den Pöbel hinschob.
»Nun ja, ich meine … ähm … Es ist doch wirklich kaum zu glauben, daß sich jemand die Mühe macht zu erscheinen, nur um dann Puff! zu machen!«
»Puff?« stieß Zuphall verwirrt hervor.
»Jo«, erwiderte Vogg, der von sämtlichen Ereignissen, die er am Appscheusee verpaßt hatte, aus den Berichten der anderen wußte, auch wenn er während der ganzen Zeit mit zugehaltenen Ohren und der Nase am Boden gelegen hatte. »Puff!« Er schwenkte die Arme auf eine Weise, von der er annahm, sie beschreibe irgendwie die Bewegung, mit der eine Gottheit sich auflöste. »Und würdelos zu verschwinden!«
»Jo, ohne die geringste Chance. Sie ham sich auf ihn gestürzt und ihn weggeschleppt …« warf eine andere Stimme ein.
»Wer hat sich auf ihn gestürzt? Und wie sahen sie aus?« stieß Zuphall hervor, während ein kalter Schauer des Grauens seinen Rücken hinablief und eisige Finger sich an seinem Hals zu schaffen machten.
»Sie sahen genauso aus wie die Dinger, die durch das Loch kamen«, sagte eine andere aufgekratzte Stimme, und jemand deutete auf den Riß in der Decke.
»Jo«, brummte eine dritte Stimme. Sie kam aus der Kehle eines muskulösen, kahlköpfigen Bürgerdeppen, dessen Arme dicker waren als die Oberschenkel der meisten anderen. »Sehr professionelles Vorgehen. Kein hin und her. Haben sie sich einfach durchs Fenster geschnappt. Denen würd ich gern mal die Hand schütteln. Hatten keine Chance, sich zu wehren. Das ist die beste Methode. War aber ’n bißchen eigenartig.«
»Was soll das heißen?« stieß Zuphall hervor. »Natürlich war es eigenartig. Man sieht schließlich nicht jeden Tag, daß jemand einem ein Loch ins Dach reißt, oder? Was meint er denn nur?« Er deutete ungehalten auf den Rausschmeißer der örtlichen Nachtkaschemme.
»Na ja«, knurrte der Rausschmeißer. »Die Typen, die durchs Fenster abgehauen sind … Ham Sie denen ihre Visagen gesehen? Ich seh so was ja alle naselang. Eigentlich jeden Abend. Ich kenn mich mit so was aus. Ist die typische Fresse von dem Kerl, der immer sagt ›Nee, ich will noch nich’ gehen. Ich will hierbleiben, bitte, bitte!‹ Aber meist isses genau umgekehrt. Verstehnse, wat ich mein’?«
»Leider nicht, nee«, gestand Zuphall. »Wie denn umgekehrt?«
»Woher kennen Sie meinen Namen?« fragte Nee der Rausschmeißer verblüfft. »Na, ist ja auch egal. Also passen Sie mal auf. Ich hab da so ’ne Theorie …« Und er verstummte.
»Ja? Und?« krächzte Zuphall und wedelte mit den Händen, als wolle er die Luft umrühren. »Lassen Sie sie uns mal hören.«
Nees Augen leuchteten auf. Er hatte im Laufe der Jahre gelernt, daß man ihm aufgrund seines kräftigen Körperbaus und seiner grabestiefen Stimme nicht zutraute, daß er nicht nur Menschen durch Türen werfen
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