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Das größere Wunder: Roman

Das größere Wunder: Roman

Titel: Das größere Wunder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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Kopf Grubers nirgends entdeckte.
     
    Irgendwann gelangte er zur Piste. Welche Geschwindigkeit er dort erreichte, ehe das Kind vor ihm aufgetaucht war, konnte er später nicht mehr rekonstruieren.
    Er konnte auch nicht rekonstruieren, ob dieses Kind wirklich dagewesen war.
    Als er auswich und von der Straße abkam, war es, als würden sich die Sekunden endlos ausdehnen. Entsetzt begriff er, dass er keinen Einfluss mehr hatte auf das, was nun kommen würde.
    Er durchstieß Laternenmasten und Zäune, ihm flogen Holzlatten und Eisenstangen entgegen, die Geräusche, die er hörte, waren erschreckend schicksalhaft, und neben Angst fühlte er vor allem Ärger, ja Wut auf sich selbst.
    Er bereitete sich auf das Hatta vor. Jetzt kommt es, dachte er, jetzt lerne ich es kennen. Dann landete sein Gesicht im Airbag, der Wagen oder das, was von ihm übriggeblieben war, stand still, und Jonas befühlte seine Glieder, ob wirklich alles an ihm heil geblieben war.
    Wieso zum Henker lebe ich noch? dachte er und wollte aussteigen, doch die Fahrertür klemmte.
    Er musste husten, seine Augen tränten. Alles war voller Staub aus dem Airbag. Er rutschte hinüber auf die Beifahrerseite. Die Tür klemmte ebenfalls. Er drehte sich um, aber hinten gab es weder Türen noch Sitze.
    Das war der Moment, in dem es zu qualmen begann.
    Er versuchte die Fenster zu öffnen, doch die elektrischen Fensterheber funktionierten nicht. Er schlug mit dem Ellbogen gegen die Scheiben, sie schienen aus Panzerglas zu sein.
    Alles, nur das nicht, dachte er.
    Die Angst, die er beim Unfall gefühlt hatte, war nichts gegen das, was nun in ihm hochstieg. Verbrennen erschien ihm als eine entsetzliche Art zu sterben. Am meisten belastete ihn jedoch die Erkenntnis, dass es nicht soweit hätte kommen dürfen, dass sich irgendwo ein Fehler eingeschlichen hatte, für den er zumindest mitverantwortlich war.
    Es verstrichen noch einige Minuten, bis der Wagen zu brennen begann, Minuten, über die er später nicht sagen konnte, was er während ihnen gemacht oder gedacht hatte. Aber als seine Angst am größten war, wurde ihm ein Bote Gottes gesandt, zumindest kam es Jonas so vor, als er neben dem brennenden Auto eine Gestalt auftauchen sah, der es kurz darauf gelang, die Fahrertür einen Spalt aufzudrücken, gerade so weit, dass sich Jonas aus dem Auto ziehen konnte. Bis er seinen Retter erkannte, der mit einem Handfeuerlöscher die Flammen bekämpfte, dauerte es eine Weile.
    »Gruber, Sie schickt der Himmel!« rief er schließlich.
    »Nein, das war Zach.«
     
    Als sie nach Hause kamen und Jonas hinaufgehen wollte, um sich hinzulegen, fand er auf seinem Nachttisch einen Schlüssel. Es war der erste seit sieben Jahren, und obwohl Jonas vom Unfall noch benommen war, lief er gleich wieder nach unten, um sich Zachs Wagen zu leihen.
    »Willst du mein Auto auch noch verschrotten?«
    »Es kommt ohne Kratzer zurück. Du hast den Schlüssel hingelegt, nicht wahr?«
    »Welchen Schlüssel?«
    »Den auf meinem Nachttisch natürlich.«
    »Ich war vor etwa zehn Jahren zuletzt in deinem Zimmer. Pass ja auf den Wagen auf!«
    Jeder einzelne Hausbewohner einschließlich des herbeigeeilten Hohenwarter, den Regina telefonisch vom Unfall verständigt hatte, schwor, nichts von irgendwelchen Schlüsseln zu wissen und Jonas’ Zimmer seit Jahren nicht betreten zu haben.
    Irgendjemand führt mich an der Nase herum, dachte er. Aber egal.
    Auf dem Weg zur Burg fuhr er übertrieben vorsichtig, um Zachs Karosse nicht auch noch zu demolieren. Er stürmte ins Haus, zu den sieben Türen, und schon an der zweiten passte der Schlüssel. Jonas drückte sie auf und stand in einem Krankenzimmer.
    Es war ein Zimmer, wie er sie aus Spitälern kannte. Ein Krankenbett, mehrere Bildschirme und medizinische Gerätschaften, ein alter Fernseher, Desinfektionsmittel, Infusionsflaschen, Spritzen, ein kleines Waschbecken, ein Spiegel darüber.
     
    Auf dem Rückweg nahm Jonas weniger Rücksicht auf das Auto. Zach wartete schon vor dem Haus, er ging nervös auf und ab und schlug ein Kreuz, als Jonas vor der Garage im allerletzten Moment auf die Bremse stieg.
    »Gib zu, dass du den Schlüssel neben mein Bett gelegt hast!« rief er, noch ehe er ausgestiegen war.
    Zach wurde ärgerlich. »Damit habe ich nichts zu tun! Eure Schlüsselspiele fand ich immer schon seltsam, lass mich damit in Ruhe. Sieh lieber zu, dass du den Kopf wieder freikriegst. Dir muss man helfen, Jonas.«
    »Das mit dem Krankenzimmer warst nicht

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