Das Habitat: Roman (German Edition)
die beiden Freunde verschluckt.
Sie waren auf dem Weg zurück, zu Jamerson und seinen Kindern. Ich weiß nicht ob sie ihr Ziel wirklich erreicht haben. Ich weiß ebenfalls nicht, ob sie ihr altes Leben wieder aufnehmen konnten, um weiterhin den Burren zu durchstreifen. In ihrer seltsamen, und – wie mir nun erst so richtig bewusst geworden war – eng verschworenen Gemeinschaft, in der Einer für den Anderen einstand. Doch habe ich auch nie Gegenteiliges gehört.
Der Puppenspieler
Die Straße breitete sich im hellen Sonnenlicht vor uns aus. Schon am Vormittag hatten sich die letzten Reste der schweren Wolken, welche die vergangenen Tage beherrscht hatten, endgültig verzogen. Nahezu übergangslos war es hochsommerlich warm geworden. Nur ein sanfter Westwind trug einen leichten Hauch von Seeluft, vom entfernten Meer, über das Land. Hin und wieder glaubte ich, einen leichten Salzgeschmack auf den Lippen zu haben, doch das konnte auch nur Einbildung sein. Die Räder rumpelten über den steinigen Boden, der durchsetzt war von Schlaglöchern, in denen sich das Regenwasser der vergangen Tage gesammelt hatte. Wir fuhren stetig ostwärts. Den ganzen Vormittag über hatte ich mich im Wagen versteckt gehalten. Doch unsere Vorsicht hatte sich als unbegründet erwiesen. Kaum jemand war uns begegnet. Nur gelegentlich ein paar Bauern, oder hie und da ein Schäfer, der seine Herde zu neuen Weiden führte. Gegen Mittag waren wir ins Umland des Dorfes Bodyke gekommen. Hier herrschte ganz offenbar ein ähnliches Gemeinwesen, wie in Ballynakill – oder auch jeden beliebigen anderen Landkreis in Irland. Das ländliche Leben schien überall gleich strukturiert.
Hatte ich mich während der vergangenen Stunden auch gelegentlich nach vorne zu Marten gewagt, so hielt ich mich nun verborgen, bis wir die letzten Häuser hinter uns zurück gelassen hatten. Nur in der Ferne, über Land, vermochten wir einige Farmgebäude zu sehen, als ich mich wieder aus meinem Versteck heraus wagte.
Ich musterte das herb markante, aber mit freundlichen braunen Augen und sanftem Blick versehene, Gesicht des Mannes neben mir. Er sah eine Weile weiterhin stur gerade aus, doch spürte er sehr wohl den Blick auf sich. Schließlich wandte er sich mir zu und lächelte auffordernd. Ich begriff. Bereits in der vergangenen Nacht, hatte ich ihn mit Fragen überhäuft. Er jedoch hatte nur lachend abgewinkt.
„Es ist schon spät. Du solltest dich erst einmal ausruhen. Bei Tagesanbruch brechen wir auf. Wir haben einen langen Weg vor uns und du wirst deine Kräfte brauchen. Morgen ist dann immer noch Zeit zu reden.“
Zwar hatte ich zunächst widersprechen wollen, doch war seinem Gesicht anzumerken gewesen, dass ich in dieser Nacht wohl kaum noch etwas aus ihm herausbekommen würde. So hatte ich mich denn schließlich in meine Decke eingerollt. Schon wenig später war ich tief und fest eingeschlafen. Die vorangegangene schlaflose Nacht hatte ihren Tribut eingefordert.
Viel zu früh hatte mich der Puppenspieler dann wieder aus dem Schlaf gerissen. Die Sonne stand bereits mehrere Handbreit über dem Horizont, als wir aufgebrochen waren.
Nun aber, da er sich offenbar bereit zeigte, meine Fragen zu beantworten, wusste ich zunächst gar nicht wo ich beginnen sollte.
„Pater Finn sagte, du hättest nach mir gesucht.“, begann ich unsicher.
Er nickte.
„Hat mein Vater dich geschickt, oder...“
Abermals nickte er.
„Ich sollte nach dir sehen. Er wollte wissen, ob du wohl auf wärst.“ Sein Blick war mild doch durchdringend. „Michael macht sich große Vorwürfe. Er meint, alles wäre seine Schuld. Hätte er sich nur niemals mit der Gemeinschaft der Suchenden eingelassen, so wäre das alles nicht passiert. Deine Mutter wäre noch am Leben...“
Er hielt einen Moment inne, um mir Gelegenheit zu geben, mich zu fassen. Ich schluckte. Doch war ich die schrecklichen Ereignisse jener Nacht so oft im Geiste durchgegangen, dass ich einigermaßen damit klar kam, frei darüber zu sprechen.
„Vielleicht hat er ja recht.“, fuhr Marten fort. „Vielleicht auch nicht. Vielleicht wäre er dennoch von den Ereignissen eingeholt worden. So wie fast alle, die hinter den Vorhang aus Lug und Betrug der Unverderbten Wahrheiten blicken. Kaum jemanden gelingt es, weiterhin ein sorgloses Leben zu führen, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen, und einfach zu hoffen, die Kirche würde einen derart gefährlichen Wissensträger unbehelligt lassen.“
„Die
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