Das Habitat: Roman (German Edition)
Jedoch es lag kein Spott in diesem Lachen, nur etwas Amüsiertes und Befreiendes. Jegliche Verkrampftheit, die ich zuvor noch in mir Gespürt hatte, war plötzlich wie weggeblasen, sodass ich schließlich mit einstimmte.
Dann aber sah Sarina sich kurz um.
„Man sollte uns besser nicht zusammen sehen. Das hat mir damals schon genug Ärger eingebracht.“
Sie nahm Meine Hand und führte mich hinein, in das verfallene Haus. Hier setzten wir uns auf ein paar herausgebrochene Steine und ich begann zu erzählen – stockend zu erst nur, doch dann immer flüssiger.
Sie hörte mir mit großen Augen zu. Als ich an die Stelle kam, da mein Vater verhindert hatte, dass ich noch einmal Gelegenheit erhalten sollte, zum Zirkus zu laufen – und somit auch sie wiederzusehen – wandte sie ein:
„Du hättest mich ohnehin nicht gefunden. Meine Eltern haben mich keinen Augenblick mehr aus den Augen gelassen. Ich weiß nicht, wie sie es herausgefunden haben... Ich meine, dass ich mich mit dir getroffen habe. Aber sie haben es herausgefunden! Erst als wir euer Dorf weit hinter uns hatten, hörten sie damit auf, mich auf Schritt und Tritt zu beobachten.“
Ich weiß nicht genau warum, aber irgendwie verschaffte mir das was sie da erzählte eine tiefe Befriedigung. Ich schien also doch etwas Besonderes in ihrem Leben gewesen zu sein. Sie lief eben keineswegs herum – wie sie vorhin spöttisch behauptet hatte – und küsste wahllos fremde Jungs. Nicht dass ich das auch nur einen Moment lang wirklich angenommen hätte – ich war sehr wohl in der Lage Sarkasmus zu erkennen –, aber manchmal versetzen Worte eben einen Stich und schmerzen noch nach, selbst wenn sie längst zurückgenommen wurden.
Anschließend begann ich zu berichten, was mir seither widerfahren war. Zuerst erwog ich sorgsam, was ich ihr erzählen sollte – und was nicht. Sobald ich aber an eine Stelle in meiner Erzählung kam die ihr unlogisch erschien, hakte sie nach. Ihre großen Augen strahlten mich sanft aber durchdringend an. Sie bohrte immer wieder nach. So lange, bis sie jede Einzelheit meiner Erlebnisse aus mir herausgeholt hatte.
Es war bereits nach Mittag, als ich mit meinem Bericht zum Ende gekommen war. Mit einem Mal spürte ich, wie sich eine große Erleichterung in meinem Geist auszubreiten begann. Es war, als wäre mir eine gewaltige Last von der Seele genommen. Erst jetzt kam mir zu Bewusstsein, dass ich sie damit womöglich in Gefahr gebracht hatte. Nun wusste sie Dinge, die nach Meinung der Kirche niemand wissen durfte.
Lange saß sie vor mir und blickte versonnen ins Leere. Sie nickte kaum erkennbar und ich störte sie nicht in ihren Überlegungen. Wahrscheinlich – so durchfuhr es mich – würde sie nun zu dem Schluss kommen, dass es besser wäre für sie, wenn sie fortan jeden Kontakt mit mir meiden würde. Ich wurde gesucht. Nicht von irgendwem – von der Kirche selbst. Und ich würde auch sie in Bedrängnis bringen, wenn man sie mit mir in Zusammenhang brachte.
Wenn sie nun aufstand und ging, so konnte ich ihr dies noch nicht einmal übel nehmen.
Schließlich sah sie mich an. Fest und bestimmt ruhte ihr Blick auf mir.
„Wir werden eine Lösung finden. Irgendwie werden wir dich zu diesem Douglas bringen – und zu deinem Vater.“ Sie sagte es mit einer Bestimmtheit, die keinen Zweifel daran ließ, dass sie jeden Gedanken, sich selbst aus dieser Geschichte herauszuhalten, energisch von sich weisen würde. Dennoch versuchte ich es. Als ich sie auf die Gefahr hinwies, die ich für sie – und womöglich auch für ihre Familie – bedeuten würde, winkte sie nur energisch ab. Bei der Erwähnung ihrer Familie hatte sie zwar kurz zusammengezuckt, sich dann jedoch umso vehementer dagegen verwahrt, jemanden, der in Bedrängnis war, schmählich im Stich zu lassen. So jedenfalls drückte sie es aus.
Zwar machte ich noch ein paar halbherzige Versuche – mir wurde jedoch schnell klar, dass ich dem unbeugsamen Willen Sarinas, kaum wirklich etwas entgegenzuhalten hatte. Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, so würde wohl niemand mehr sie davon abbringen können. Das sollte ich bei späteren Gelegenheiten noch sehr häufig erfahren.
„Du hast nicht zufällig etwas von Marten gehört?“, fragte ich hoffnungsvoll, obwohl ich die Antwort bereits ahnte.
Sie schüttelte nur mit dem Kopf. Dann, mit einem Mal, hellte sich ihr Blick auf.
„Kannst du dich noch an jene Nacht erinnern, als wir von den Feldern kamen?“. Es war eine
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