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Das Habitat: Roman (German Edition)

Das Habitat: Roman (German Edition)

Titel: Das Habitat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Luzius
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rhetorische Frage. Dennoch nickte ich.
    „Ich habe mir die ganze Zeit schon den Kopf darüber zerbrochen, wer sonst noch bei diesem geheimen Treffen mit deinem Vater dabei war.“
    Ich brauchte einen Moment, um zu kapieren worauf sie hinauswollte.
    „Ian“, sagten wir beinahe gleichzeitig.
    Ian – für mich war das nichts weiter als ein Name, zudem ich noch nicht einmal ein Gesicht hatte. Sarina jedoch erläuterte:
    „Er war einer der Clowns. Auch seine Auftritte wurden für Verderbt erklärt.“
    Ihre Stimme hatte einen bitteren Klang angenommen, als sie dies sagte.
    „Dann ist er also hier?“, fragte ich erregt. „Hier in Dublin? Und du weißt, wo ich ihn finden kann?“
    Ihre Kopfbewegung war jene merkwürdige Mischung aus Nicken und Schütteln, die Leute manchmal unwillkürlich gebrauchen, wenn sie nach den richtigen Worten suchen, Dinge klar zustellen.
    „Mein Vater weiß es.“, sagte sie schließlich.
     
     
    Mein neues Versteck lag gut verborgen, etwa eine Stunde Fußmarsch westlich des Stadtkerns. Eine mit Schutt überhäufte Treppe führte in die Tiefe. Weiter unten verzweigte sich ein Haupttunnel in mehrere Nebentunnel. Ich habe nie herausgefunden, wozu diese Schächte einst gedient haben mochten.
    Der Eingang zur Treppe war durch heruntergebrochene Trümmerstücke eines eingestürzten Hauses gut getarnt.
    Ich briet mir über einem kleinen Feuer gerade ein paar Heringe, die ich am Hafen erworben hatte. Als ich das Rascheln vernahm, und die vorsichtigen Schritte, zuckte ich zusammen. Doch schon konnte ich Sarinas Stimme von den Tunnelwänden widerhallen hören.
„Liam!“
    „Ich bin hier!“, rief ich. Der Schein meines Feuers und der Geruch des gebratenen Fisches, hätten sie aber auch so zu mir geführt. Sie trat in den Lichtkreis und lächelte mich an. Dann sah ich, wie sich eine zweite Gestalt aus dem Dunkel herausschälte.
    „Keine Angst, Liam. Das ist mein Dad.“
    Sie setzte sich zu mir ans Feuer, während ihr Vater langsam herantrat und mich mit schweigsamen Blick fixierte.
    Ich stotterte einen Gruß. Er jedoch achtete nicht darauf.
    „Das also ist dieser Liam.“, sagte er. Er schien alles andere als erfreut. „Nun, besonders helle im Kopf scheint er ja nicht zu sein. Der Geruch dieser Fische trägt kilometerweit.“
    Sicherlich, er übertrieb gewaltig – in der Sache hatte er allerdings durchaus recht. Das hatte ich nicht bedacht. Sarina aber funkelte ihren Vater böse an.
    „Dad! Du hast versprochen, dich zu benehmen!“
    Mochte es ihren Eltern vor einem Jahr auch noch gelungen sein, ihre Tochter soweit zu bändigen, dass sie sich ihren Anordnungen zumindest nicht offen widersetzte – nun jedoch war sie eine junge Frau, mit einem eigenen Kopf. Und diesen wusste sie ganz offenbar auch durchzusetzen. Ihr Vater nahm neben ihr Platz, als sie ihn darum bat, sah mich aber weiterhin missmutig an.
    Erst nach einer langen Zeit des Schweigens, konnte er sich dazu durchringen, das Wort an mich zu richten.
    „Sarina sagt, du suchst nach Ian?“
    Ich nickte und überlegte, was Sarina ihm alles über mich erzählt hatte. Es schien jedoch nicht annähernd die ganze Wahrheit gewesen zu sein, wie ich im Verlauf des weiteren Gespräches merken sollte.
    „Ian hat Ärger.“, sagte er gedehnt. „Mit der Kirche!“ Wieder der finstere Blick. „Ich nehme an, du auch. Und wenn nicht, dann wirst du ihn bald bekommen, wenn du dich mit Leuten wie Ian einlässt. Man sollte sich der Kirche nicht widersetzen...“
    „Dad!“, fuhr Sarina in an. „Seit wann stellst du dich auf die Seite der Kirche. Du hasst die Kirche. Hast du etwa schon vergessen, wie sehr du gegen alle Pfaffen gewettert hast. Die Pest hast du ihnen an den Hals gewünscht. Und noch viel Schlimmeres... das ich hier gar nicht auszusprechen wage!“
    Er schüttelte den Kopf.
    „Es wäre dumm von mir, die Kirche als solche verantwortlich zu machen, für das Handeln einiger weniger ihrer Vertreter. Nicht die Kirche ist es, die ich verachte. Ihre Priester sind es.“
    „Dennoch. Sie sind schuld, dass wir unseren Lebensunterhalt verloren haben.“
    „Hungerst du etwa?“, fragte ihr Vater gekränkt. „Oder hast du vielleicht nicht genug anzuziehen?“
    Das Mädchen schüttelte energisch den Kopf. Und bevor er mit seiner Rede fortfahren konnte, sagte sie:
    „Du sorgst gut für mich und Mom. Das weißt du. Aber darum geht es doch gar nicht. Und das weißt du auch.“
    Ihre Stimme war sanft geworden und sie hatte sich bei ihm untergehakt,

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