Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels
dreckigen Fußboden inmitten der Kippen und Bierpfützen gelegen, während sie sein Erbrochenes mit Handtüchern vom grünen Filz wischte. Dann hatte sie einen kleinen Ventilator ans trockene Ende des Tisches gestellt und eingeschaltet. »Leroy wird in die Luft gehen, wenn er das sieht«, hatte sie mit in die dürren Hüften gestützten Händen gesagt.
»Der Kerl kann mich mal«, lallte Bodecker.
»Du hast leicht reden«, sagte Sandy und half ihm vom Boden hoch auf einen Stuhl. »Du musst ja nicht für das Arschloch arbeiten.«
»Ich mach die gottverdammte Bude zu«, sagte Bodecker und fuchtelte wild mit den Armen herum. »Ich schwör’s.«
»Beruhige dich erst mal, großer Bruder«, sagte Sandy. Sie wischte ihm mit einem weichen, feuchten Lappen das Gesicht ab und kochte ihm eine Tasse löslichen Kaffee. Als Bodecker einen Schluck trinken wollte, ließ er die Tasse fallen. Sie zersprang auf dem Boden. »Himmel, ich hätte es besser wissen müssen«, sagte Sandy. »Na komm, ich bring dich nach Hause.«
»Was für’n Schrotthaufen fährst du denn?« fragte er mit schwerer Zunge, als sie ihm auf den Beifahrersitz half.
»Schätzchen, das ist kein Schrotthaufen«, erwiderte sie.
Er sah sich in dem Kombi um und versuchte, geradeaus zu schauen. »Was’n sonst?«
»Eine Limousine«, sagte Sandy.
12.
Sandy ließ im Bad des Motelzimmers die Wanne volllaufen und wickelte das Papier von einem der Schokoriegel, die sie in ihrer Make-up-Tasche aufbewahrte. Das war die Notration für die Tage, an denen Carl keine Essensstopps einlegen wollte. Wenn sie unterwegs waren, konnte er tagelang ohne Essen auskommen und dachte nur daran, wo sie das nächste Model fanden. Sollte er doch an seinen verdammten Zigarren lutschen und sich mit dem dreckigen Messer zwischen den Zähnen herumstochern, so lange er wollte, sie jedenfalls würde nicht hungrig zu Bett gehen.
Das heiße Wasser linderte ein wenig das Brennen zwischen den Beinen, sie lehnte sich zurück und schloss die Augen, während sie an ihrem Milky Way knabberte. An dem Tag, als sie den Kerl aus Iowa aufgegabelt hatten, war sie gerade von dem Highway abgebogen, um irgendwo anzuhalten und ein Nickerchen zu machen; da war der Typ, der wie eine Vogelscheuche aussah, aus einem Sojafeld gesprungen. Kaum hatte er den Daumen rausgestreckt, klatschte Carl in die Hände und sagte: »Los geht’s.« Der Tramper war von oben bis unten mit Matsch und Dung und Stroh bedeckt, so als hätte er in einer Scheune geschlafen. Selbst bei offenen Fenstern erfüllte der Gestank das Wageninnere. Sandy wusste, wie schwer es war, unterwegs sauber zu bleiben, aber die Vogelscheuche war der schlimmste Fall, den sie je gesehen hatte. Sie legte den Schokoriegel auf dem Badewannenrand ab, holte tief Luft und hielt den Kopf unter Wasser, lauschte dem fernen Geräusch ihres Herzschlages und versuchte sich vorzustellen, wie es war, wenn es für immer stehen blieb.
Sie waren noch nicht weit gefahren, als der Bursche mit hoher Stimme rief: »California, here I come, California, here I come«; Sandy wusste, dass Carl mit diesem Model besonders grausam umgehen würde, weil sie beide ausgerechnet vom gottverdammten Kalifornien nichts mehr wissen wollten. An einer Tankstelle außerhalb von Ames hatte sie getankt und zwei Flaschen Rachenputzer gekauft, in der Hoffnung, den Ärmsten damit ein wenig ruhig zu stellen, doch kaum hatte der ein paar Schluck getrunken, fing er an, laut zur Radiomusik zu singen, und das machte alles nur noch schlimmer. Nachdem die Vogelscheuche sich durch fünf oder sechs Songs gekrächzt hatte, beugte sich Carl zu Sandy und sagte: »Bei Gott, dieser Mistkerl wird dafür büßen.«
»Schätze, der ist ein wenig zurückgeblieben oder so«, antwortete sie leise in der Hoffnung, Carl würde ihn laufen lassen, weil er in dieser Hinsicht abergläubisch war.
Carl sah den Jungen an, drehte sich um und schüttelte den Kopf. »Ist nur ein Idiot. Oder ein verdammter Irrer. Da gibt es schon einen Unterschied.«
»Na, dann mach wenigstens das Radio aus«, schlug sie vor. »Hat ja keinen Zweck, ihn auch noch anzuheizen.«
»Scheiß drauf, soll er doch seinen Spaß haben«, entgegnete Carl. »Das Gezwitscher gewöhn ich ihm ganz schnell ab.«
Sandy ließ das Papier auf den Boden fallen und noch mehr heißes Wasser einlaufen. Sie hatte damals nichts dagegen gesagt, doch nun wünschte sie sich, sie hätte den Jungen niemals angerührt. Sie schäumte den Waschlappen ein, schob einen Zipfel in
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