Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
würde er wohl sagen, wenn ich erwiderte: Champagner, mein Herr, ist mein Lieblingsgetränk. Das gab es bei uns zu Hause zu jedem Fest! Ich zog es vor, freundlich zu lächeln.
»Wir können schon mit dem Essen beginnen. Meine beiden Mitarbeiter sind da. Meine rechte Hand wird sich verspäten. Wir sollten nicht auf ihn warten«, bemerkte der Rotgesichtige.
Ich war froh, dass der Champagnerempfang vorüber war und wir uns zurückziehen konnten, um die Suppe zu holen. Nafia hatte sie uns vom Kochhaus in die Empfangshalle getragen.
»Was wollte der Kerl von dir?«, erkundigte sich Misses Leyland, während wir die Suppenteller auf die Tabletts stellten.
»Der Alte oder sein junger Untergebener?«
»Der Alte natürlich!«
»Was will wohl so ein alter Bock von einer jungen Frau?«, gab ich patzig zurück. »Aber seien Sie versichert, er wird mir nicht mehr zu nahe kommen«, fügte ich grinsend hinzu.
Als wir in den Salon zurückkehrten, ließ ich Misses Leyland den Vortritt und beobachtete genau, wie sie die Suppe servierte. Ich hatte nämlich so gut wie alles vergessen, was sie mir beigebracht hatte. Das kommt davon, wenn man sich als junges verwöhntes Ding um nichts kümmern muss, nicht einmal um die Frage, wie das Essen auf den Tisch kommt, dachte ich, während ich es ihr gleichtat. Da fiel es mir auch wieder ein. Servieren von rechts, Abstand zum Gast halten … Trotzdem geriet ich ins Schwitzen. Und dass ich ausgerechnet den schrecklichen Kerl bedienen musste, missfiel mir außerordentlich, aber was sollte schon schiefgehen? Kurz bevor ich den Teller vor ihm abgesetzt hatte, machte er eine ungeschickte Bewegung und stieß mit seinem massigen Körper gegen meinen Arm. Mir rutschte der Teller aus der Hand. Mit lautem Geklirre fiel er zu Boden und zerbrach auf dem harten Holzboden in tausend Scherben. Die Suppe spritzte zu allen Seiten und beschmutzte sein Hosenbein. Erst als der unangenehme Gast auf mich einzuschimpfen begann, begriff ich, dass es Absicht gewesen war, und ich nahm mir vor, mich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.
»Entschuldigen Sie vielmals. Ich werde sofort dafür sorgen, dass Sie eine neue Suppe bekommen und alles gesäubert wird.« Ohne auf sein Gepöbel zu achten, stolzierte ich aus dem Salon und kehrte wenig später mit einer neuen Suppe, einem Kehrblech und einem Lappen zurück.
Wortlos servierte ich ihm seine Suppe und machte mich daran, das Malheur zu entfernen. Statt mich in Ruhe meine Arbeit tun zu lassen, schimpfte der Mann erneut auf mich ein, bis seine Frau in scharfem Ton bemerkte: »Jakob, jetzt lass die junge Frau doch in Ruhe. Sie hat sich bei dir entschuldigt! Was soll sie denn noch tun? Du hast dich aber auch ungeschickt bewegt. «
Grinsend fuhr ich mit dem Säubern des Bodens fort. Das geschah ihm recht. Nur mit halbem Ohr hörte ich, was bei Tisch geredet wurde. Ich verstand nur, dass es um das Geschäft ging. Mister Sullivan wollte ins Rumgeschäft des Herrn aus Christiansted einsteigen. Doch das, was der Rotgesichtige nun von sich gab, ließ mich erstarren.
»Ich denke, wir kommen ins Geschäft, Mister Sullivan. Wir brauchen nur noch eine Unterschrift aus Flensburg. Das erledigt mein Sohn Christian vor Ort. Wir haben alle Anordnungen einem Kapitän mitgegeben, der die Stadt bereits erreicht haben muss.«
Mir wurde speiübel. Und ich wusste auch, warum ich glaubte, ihm schon einmal begegnet zu sein. Die Mundpartie hatte mich an Pit und Christian erinnert. Dieses markante Kinn, das so gar nicht in das aufgeschwemmte Gesicht des Kerls passen wollte … Jakob Hensen! Ich wollte es nicht glauben.
»He Sie, sind Sie bald fertig?«, ertönte die Stimme des Herrn, der rechts neben ihm saß und zu dessen Füßen ich ebenfalls kauerte. Es dauerte einen Augenblick, bis ich begriff, dass er mich meinte. Geistesgegenwärtig wies ich ihn darauf hin, dass seine Hosenbeine leider etwas von der Suppe abbekommen hatten, und bat ihn, sie säubern zu dürfen.
»Ich bitte darum«, sagte er gönnerhaft. Das verschaffte mir die Gelegenheit, dem Tischgespräch noch ein wenig zu lauschen.
»Sie sind also gar nicht allein verfügungsberechtigt, Mister Hensen?«, erkundigte sich Mister Sullivan bei meinem Schwager. In seiner Stimme klang Skepsis mit.
»Das ist nur noch eine Formalie. Die Gerichte in Flensburg sind mit der Angelegenheit befasst. Ich bin der rechtmäßige Erbe des Unternehmens, aber die Frau meines verstorbenen Bruders hat …« Er stockte. »Ach wissen Sie, das ist eine
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