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Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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allmählich zurück – im Traum. Aber wenn ich erwache, sind die Träume fort.«
    Mei-ling kannte die Macht der Träume. Schließlich war es ein Traum, der ihren und seinen Pfad zusammengeführt hatte. »Vielleicht, wenn ich hier wäre, während Sie schlafen …«
    »Es gehört sich nicht, daß Sie die Nacht mit mir verbringen.«
    »Sie würden schlafen, und ich würde wachen. Wenn Sie träumen, werde ich Sie wecken, und Sie erzählen mir, was Ihnen im Traum erschienen ist.«
    »Die Wahrheit ist, Mei-ling, daß ich nicht schlafen könnte, wenn Sie hier wären.«
    »Ich würde mich ganz ruhig verhalten.«
    »Das meine ich nicht«, entgegnete er leise.
    Die alte Dienerin, die die Worte nicht verstand, wußte trotzdem, was gesagt wurde. Sie las es in ihren Augen, ihren Körpern, dem Klang ihrer Stimmen. Und sie wußte, daß die Katastrophe, vor der sie solche Angst hatte, unmittelbar bevorstand.

    Mei-ling wählte die achte Nacht des achten Monats, um bei ihm zu bleiben, denn acht war die höchste Glückszahl und eine doppelte Acht doppelt glückbringend. Zum ersten Mal verließ sie das Haus ihres Vaters nicht in Begleitung der alten Dienerin, sondern stahl sich, während die Familie schlief, hinaus in die Nacht.
    »Ich gehe zu ihm, um sein wanderndes Gedächtnis zurückzuholen«, erklärte sie der Alten. »Ich will ihm helfen, seinen Geist aus dem Nebel zurückzuholen, in den er sich verirrt hat.«
    Aber die alte Frau wußte, warum Mei-ling ging, und alles, was ihr übrigblieb, war, sich auf ihrer Schlafmatte zusammenzurollen, die Decke über den Kopf zu ziehen und vor sich hin zu jammern, voller Furcht vor dem Unheil, das nun kommen würde.

    Als Mei-ling und der fremde Amerikaner einander das erste Mal liebten, hielt ein sanfter Monsun Singapur in zärtlicher Umarmung.
    Mei-ling wußte, daß das, was sie tat, mit dem Tode bestraft wurde. Einer Frau war im Leben nur ein Mann gestattet – ihr Gatte, falls sie heiratete. Eine unverheiratete Frau durfte überhaupt keinen Mann haben. Einem Mann dagegen erlaubten Tradition und Gesetz so viele Ehefrauen und Konkubinen, wie er es sich leisten konnte, denn der Grundgedanke war: »Eine Teekanne braucht viele Tassen.«
    Und während Mei-ling in den Armen ihres gutaussehenden Amerikaners lag, dem ihre liebevolle Fürsorge Kraft und Männlichkeit zurückgegeben hatte, sie ihn im Schlaf betrachtete und über diesen schönen Fremden staunte, den die Götter ihr geschickt hatten, überlegte sie, was ein Todesurteil denn schon bedeutete, wenn man liebte. Sie wäre gerne für eine Umarmung von ihm gestorben.
    Sie verließ ihn, als er noch schlief, und kehrte nach Hause zurück, bevor die Dienerschaft aufwachte. In der nächsten Nacht ging sie wieder zu ihm und in der darauffolgenden auch. Sie half ihm, aus dem Bett aufzustehen und ein paar Schritte zu tun, ging langsam mit ihm auf und ab und stützte ihn, mit winzigen, schmerzhaften Bewegungen ihrer verkrüppelten Füße. Sie berichtete ihm Neuigkeiten aus der Welt, und er zog die Nadeln und Kämme aus ihrem langen Haar und sagte ihr, wie sehr er sie liebte.
    Tagsüber stellte Mei-ling diskrete Ermittlungen an, ob irgend jemand nach einem vermißten Amerikaner suchte. Nachts lag sie neben ihm und sah, wie er sich im Traum herumwarf und wälzte und dabei Namen und Worte sprach, die ihr fremd waren. Wenn sie ihn weckte, konnte er sich nicht an die Träume erinnern. Als sie ihn fragte, »Wer ist Fiona?«, antwortete er, daß er keine Ahnung habe.
    »Vielleicht sollte ich dich doch zu einem englischen Arzt bringen«, meinte sie eines Nachmittags, als die Sonne schräg durch die Fenster schien. »Du lebst schon zu lange ohne Gedächtnis. Deine Familie wird sich Sorgen machen. Du mußt dein Zuhause finden.«
    Aber er nahm ihre Hände und erwiderte leidenschaftlich: »Du bist mein Zuhause, Mei-ling. Du bist meine Familie. Ich möchte dich heiraten.«
    »Und wenn du schon verheiratet bist?«
    »Ich fühle mich nicht verheiratet. Müßte ich das nicht, wenn es so wäre?« Und dann, sehr zärtlich: »Doch, ich fühle mich verheiratet – wenn ich mit dir zusammen bin, Mei-ling.«
    Sie schlug die Augen nieder. »Ich kann niemals deine Ehefrau werden. Ich muß chinesisch heiraten.«
    »Wir sind bereits verheiratet, Mei-ling.« Er zog den Goldring mit den verschlungenen Anfangsbuchstaben R. B. vom Finger und hielt ihre linke Hand fest. »Mit diesem Ring nehme ich dich zur Frau.« Und er ließ ihn auf ihren Finger gleiten. »Wir sind

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