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Das Haus der Tänzerin

Das Haus der Tänzerin

Titel: Das Haus der Tänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Lord Brown
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Schuppen und schob die Tür auf. Charles saß über seinen Rolltop-Schreibtisch gebeugt und steckte einen Perlmutterfalter auf einem Korkbrett fest.
    Emma lächelte. Als Kind hatte sie hier drinnen Stunden mit Charles verbracht und ihrem Großonkel geholfen, seine Präparate zu katalogisieren. Die Wände waren voller Kästen mit Schmetterlingen, ein Wandgemälde aus Flügeln in Technicolor. Ein grauer Boxer lag zu seinen Füßen und schnarchte leise, während eine tickende Mora-Standuhr die Minuten zählte. »Hallo …«
    »Er wird dich nicht hören.« Freya stupste ihn mit dem Gehstock am Rücken. »Charles! Wir haben Besuch.«
    »Verflixt noch mal!« Charles wirbelte herum und schob sich seine halbmondförmige Brille auf seine dicke, weiße Mähne. Sein leerer linker Ärmel, der am Ellbogen zusammengesteckt war, baumelte herunter. »Soll ich etwa einen Herzanfall bekommen?« Er lächelte und schlurfte auf Emma zu, als er sie bemerkte. »Em!« Er umschlang sie mit dem rechten Arm, und sie küsste ihn auf seine trockene, weiche Wange.Schalte es ein, bedeutete ihm Freya.
    Charles betätigte den Schalter seines Hörgeräts. »Das ist die einzige Möglichkeit, in diesem Irrenhaus, wo den ganzen Tag die Leute ein und aus gehen, einen Augenblick Frieden zu haben«, sagte er brummend zu Emma.
    »Hör auf, dich zu beschweren«, sagte Freya. »Sie werden dir fehlen, wenn sie nicht mehr da sind.«
    »Es ist schön, dich zu sehen. Du siehst gut aus«, sagte Emma.
    »Findest du? In unserem Alter kann man froh sein, wenn man überhaupt noch am Leben ist. Alle unsere Freunde sterben wie die Fliegen.« Er seufzte. »Jedes Jahr sind es ein paar weniger von uns, die zur Gedenkfeier der Brigaden in die Jubilee Gardens kommen.«
    »Du weißt doch, wie er ist.« Freya verschränkte die Arme. »Er schlägt immer zuerst die Todesanzeigen auf, um zu sehen, ob er jemanden kennt.«
    »Das stimmt nicht. Oha, du hast einen Passagier, Em.« Charles fing den Schmetterling auf ihrem Haar in einem kleinen Drahtkäfig und schloss den Deckel.
    Wenn sie sich gegenüberstanden, war die Ähnlichkeit zwischen den Geschwistern unverkennbar, selbst im Alter noch, dachte Emma – beide waren groß und schlank, gingen jetzt ziemlich gebeugt, hatten die gleichen hohen Wangenknochen und Adlernasen. Während Freya für modisches Understatement stand und schicke, einfarbige Kleidung bevorzugte, trug Charles eine locker sitzende braune Cordhose – übersät mit Brandflecken von Kaminfeuern und Zigaretten. Als er sich zum Schreibtisch wandte und eine Glasscheibe in den Rahmen schob, seufzte Freya.
    »Sieh dich doch einmal an, Charles. Du solltest mir endlich erlauben, dir neue Sachen zu kaufen.«
    »Wieso?« Er steckte die Hände in die ausgeleierten Taschen seiner marineblauen Strickjacke und holte eine Tabakdose heraus. »Wozu brauche ich neue Anziehsachen?«, murmelte er, während er eine selbst gedrehte Zigarette anzündete.
    Freya verdrehte genervt die Augen und bürstete ihm Hundehaare vom Ärmel.
    »Lass mich und hör auf damit«, sagte er und stieß ihre Hand weg.
    Sie strich sich ihre makellose graue Bobfrisur glatt. »Gut.« Freya biss sich auf die Lippe. »Emma, die anderen können es kaum erwarten, dich zu sehen. Sollen wir durchgehen?«
    Von dem chaotischen Hinterhaus, das seit beinahe siebzig Jahren von der Familie bewohnt wurde, traten Freya, Charles und Emma hinaus auf den Gehsteig und durch die Tür in das Nebenhaus. Im Liberty-Temple-Büro herrschte reger Betrieb. Als Emma die Eingangstür aufdrückte, ließ der Windstoß die Orchideen auf dem weißen Empfangstisch tanzen. In dem Großraumbüro dahinter tummelten sich elegante junge Frauen und lässig gekleidete Männer; Gesprächsfetzen in Französisch, Englisch, Japanisch und der Duft von Rosen trieben durch die Luft.
    »Willkommen zu Hause, Em«, sagte die Empfangssekretärin.
    »Danke«, erwiderte sie und ging weiter in den Bürobereich. »Hallo, alle zusammen.«
    Freya und Charles warteten im Empfangsbereich, während sich das Team um Emma herum versammelte, um sie zu begrüßen. »Ich hoffe, sie tut das Richtige«, sagte Freya leise. »Das ist im Moment das Familienähnlichste in ihrem Leben. Wenn die Firma einmal verkauft ist …«
    »Sprichst du von Emma oder von dir selbst?«
    Freya stupste ihn in die Rippen.
    »Aua, nicht so fest, verdammt«, jammerte er.
    »Ich komme klar, keine Sorge.« Freya vergrub das Kinn in ihrem Rollkragen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich habe

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