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Das Haus der Tänzerin

Das Haus der Tänzerin

Titel: Das Haus der Tänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Lord Brown
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gemacht. Hör mal, ich werde das wieder richten. Ich muss jetzt rein, Em. Ich ruf dich nach der Besprechung an. Ich liebe dich.«
    »O Gott«, rief sie. »Es kann doch nicht sein, dass er dort drin ist …«
    Freya legte den Arm um sie. Schweigend und fassungslos sahen sie zu, wie die Schlagzeilen über das Bild liefen: »Eilmeldung. Flugzeug fliegt in New Yorker World Trade Center.«
    »Das ist unmöglich«, flüsterte Emma. Sie hatte den Blick starr auf die Spitze des Turms gerichtet. Sie stellte sich vor, wie er den Käufern gegenüber am Tisch saß, in einem frischen weißen Hemd und mit seiner blauen Krawatte, die die Farbe seiner Augen betonte. Sie hörte Geschirr klappern, die schnellen Schritte der effizienten Kellner. Und dann den Einschlag, den Moment der Stille, bevor die Hölle losbrach. Emma schnappte nach Luft. All die Wut und der Schmerz, die sie empfunden hatte, waren verschwunden. »Joe, o Gott, Joe …« Rauchwolken stiegen auf. Sie wusste, er würde nach einem Fluchtweg suchen, würde das Kommando übernehmen, Leute zusammensammeln. So war Joe. So machte er es immer. Sie stellte sich ihn vor, wie er über diesen schrecklichen, schönen klaren Himmel hinausblickte.
    »Er wird rauskommen«, sagte Freya ruhig. »Wenn jemand rauskommt, dann Joe.«
    Das Schrillen des Telefons zerschnitt die Luft. Die Empfangsdame lief hastig zum Schreibtisch. »Liberty Temple, guten Morgen«, sagte sie automatisch. »Ja, Ms Stafford …«
    »Ist das Delilah?«, rief Freya. »Stellen Sie sie durch, auf die Konferenzleitung.« Knisterndes Sirenengeheul drang aus den Lautsprechern, und alle drängten zum Tisch im Besprechungszimmer. »Delilah. Hier ist Freya. Seid ihr in Sicherheit?«
    »Freya?«
    »Wo bist du?«
    »Ich bin auf der Straße, in der Nähe des Südturms. O Gott, Freya, was ist da los?«
    Emma beugte sich zum Mikrofon. »Ist Joe bei dir?«
    »Emma? Herrgott, keine Ahnung! Ich …«
    »Wo ist er, verdammt?«
    »Jetzt beruhigt euch beide!«, schnappte Freya. »Wir müssen klar denken. Delilah, wo ist Joe?«
    »Er war in der Besprechung. Ich sollte mitgehen, aber mir ist der Absatz abgebrochen, und ich konnte nicht weiter.«
    Im Hintergrund kreischte eine Frau: »Da fallen Menschen! Gott rette sie! Sie springen, o Gott!«
    Delilah sprach mit erstickter Stimme, es hörte sich an, als würde sie rennen. »Wir sollen das Areal räumen …«, keuchte sie. »Hier fallen Menschen, sie fallen herunter …« Die Leitung wurde unterbrochen.
    Freya wandte sich an die Empfangsdame. »Versuchen Sie es weiter bei Joe und Delilah, auf beiden Nummern.« Schweigend versammelten sie sich wieder vor dem Fernseher.

9

    Valencia, November 1936
    Das Profil von Rudolph Valentino flackerte auf dem weißen Laken, das auf dem Marktplatz von La Pobla aufgehängt worden war, das Licht des Projektors durchschnitt die Dunkelheit, und die in den Strahlen tanzenden Falter warfen Schatten. Rosa blickte hinauf in den klaren Nachthimmel, auf die Sternendecke über ihnen, und drückte sich enger an Jordi, die Füße auf seinen Schoß gelegt. Er hüllte sie beide in seinen Mantel und hielt sie in seinen Armen warm.
    »Gefällt er dir nicht?«, flüsterte er. Die Dorfbewohner guckten ganz verzückt den Film Blut und Sand an, nur das Surren des Projektors durchbrach die Stille und von fern Hundegebell. Am Rand des Platzes spielten Kinder. Ein kleiner Junge – die Füße fest zusammen, die Brust nach vorn gereckt, die Pobacken angespannt, das Kinn gesenkt – hob die Arme. »Ha-da!«, rief er und stampfte auf. Der andere Junge senkte die Hörner und griff an.
    »Nein, der Film ist gut.« Sie runzelte die Stirn. »Der Ort hier gefällt mir nicht.«
    »Du bist doch erst einen Tag hier. Gib ihm eine Chance.«
    Rosa musste ständig an die Wagenkolonne auf der Landstraße nach Valencia denken, als die republikanische Regierung aus Madrid floh. Sie schämte sich, dass sie dabei gewesen waren. Auf dem Weg durch Tarancón hatte sie sich peinlich berührt geduckt, als eine Gruppe Anarchisten das Auto vor ihnen anhielt, in dem Politiker saßen. »Feiglinge!«, brüllten sie. »Wir sollten euch gleich erschießen, weil ihr aus Madrid abhaut.« Jordi war es mithilfe seiner Papiere gelungen, durch die Blockade zu fahren, aber die Worte klangen ihr noch in den Ohren.
    Jordi stand auf und nahm sie an der Hand. Die Leute hinter ihnen murrten und reckten die Hälse, um den Film zu sehen. »Rosa, wir haben das besprochen. Ich bin in La Pobla aufgewachsen, hier bist

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