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Das Haus der verschwundenen Jahre

Das Haus der verschwundenen Jahre

Titel: Das Haus der verschwundenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Morgen aufwachte, schien die Sonne schon wieder durch einen Spalt in den Vorhängen. Mit der Ausnahme, daß sie diesmal wie ein warmer Fleck neben ihm auf dem Kissen lag. Mit einem Freudenschrei und einem Lachen fuhr er hoch, und beide Reaktionen begleiteten ihn abwechselnd (und manchmal sogar gleichzeitig) durch den ganzen Tag.
    Es gab genug zu tun: Während des Frühlingsvormittags Bastelarbeiten am Baumhaus, dann Essen und Pläneschmieden für den Nachmittag. Spiele und Faulsein in der Sommerhitze –
    manchmal mit Wendell und manchmal mit Lulu – und dann Abenteuer im Licht des Herbstmondes. Und wenn der Wind die Kerzen in den Kürbisköpfen ausgeblasen und das Land mit Schnee bedeckt hatte, der Höhepunkt. Ein kühles Vergnügen für sie alle draußen in der Frostluft, und wenn sie davon genug hatten, ein warmer Weihnachtsgruß.
    Es war eine ununterbrochene Folge von Ferientagen, der dritte so schön wie der zweite und der vierte so schön wie der dritte. Und langsam vergaß Harvey, daß hinter der Mauer eine graue Welt lag, in der das große Untier namens Februar noch immer seinen langweiligen Schlaf schlief.
    Das einzige, was ihn bisweilen an das Leben erinnerte, das er zurückgelassen hatte – sicher gab’s da auch noch ein zweites 74

    Telefongespräch mit Mama und Papa, um ihnen zu sagen, daß alles in bester Ordnung sei –, war sein Geschenk, das er sich am ersten Weihnachtsabend gewünscht und bekommen hatte: seine Arche. Ab und zu hatte er schon überlegt, ob er nicht draußen am See ausprobieren sollte, ob sie auch wirklich schwimmen konnte. Aber erst am Nachmittag des siebten Tages schaffte er es.
    Wendell hatte mittags wie ein Scheunendrescher gegessen und anschließend erklärt, zum Spielen sei es viel zu heiß. Und so spazierte Harvey mit der Arche unterm Arm ganz allein zum See hinunter. Er hatte mehr oder weniger damit gerechnet – ja eigentlich sogar richtig erhofft –, daß auch Lulu da unten wäre, um ihm Gesellschaft zu leisten. Leider war das Seeufer aber leer.
    Als er dann die düstere Wasseroberfläche näher betrachtete, hätte er seinen Einfall mit der Jungfernfahrt beinahe wieder aufgegeben. Aber das hätte bedeutet, daß er sich etwas einge-stand, was er sich nicht eingestehen wollte. Also ging er weiter bis ans Ufer, suchte sich einen großen Felsbrocken, der nicht so wackelig aussah, setzte sich darauf und ließ die Arche zu Wasser.
    Zu seiner Befriedigung schwamm sie gut. Eine Weile stieß er sie vor und zurück, dann hob er sie hoch und blinzelte hinein, um zu sehen, ob da ein Leck war. Anscheinend war sie vollkommen wasserdicht, und so setzte er sie wieder ins Wasser und gab ihr einen Schubs.
    Dabei fiel sein Blick plötzlich auf einen Fisch, der mit weit aufgerissenem Maul vom Grund des Sees aufstieg. Scheinbar wollte er das Schiffchen mit Mann und Maus verschlucken.
    Harvey streckte die Hände nach der Arche aus und wollte sie aus dem Wasser reißen, ehe sie sinken oder verschlungen werden konnte. Doch in seiner Hast verlor er auf dem glitschi-gen Felsen das Gleichgewicht und fiel mit einem Schrei in den See.
    75

    Das Wasser war eiskalt und gierig und schlug rasch über seinem Kopf zusammen. Er schlug wie wild um sich und versuchte, nicht an die dunklen Tiefen unter sich zu denken. Er drehte sein Gesicht zur Wasseroberfläche und fing an zu schwimmen.
    Er sah, daß die Arche über ihm trieb. Sein Sturz hatte sie kentern lassen, und die bleiernen Passagiere sanken bereits. Er versuchte erst gar nicht, sie zu retten, sondern schoß nach Luft ringend an die Oberfläche und kraulte auf das nahegelegene Ufer zu. Kaum eine Minute später zog er sich auf die Steine am Wasserrand hinauf und torkelte vom Ufer weg. Das Wasser lief ihm in Strömen aus Ärmeln, Hosenbeinen und Schuhen. Erst als seine Füße weit genug vom See weg waren und kein hungriger Fisch mehr nach seinen Zehen schnappen konnte, ließ er sich zu Boden fallen.
    Obwohl es Hochsommer war und die Sonne hoch vom Himmel brannte, war die Luft am See kalt. Nach kurzer Zeit fing er an zu zittern. Aber ehe er wieder fort und in die Sonne ging, hielt er noch einmal nach Spuren seiner Arche Ausschau. Eine klägliche Flottille aus Wrackteilchen kennzeichnete die Stelle, an der sie gesunken war, und bald würden auch sie das Schicksal der restlichen Arche auf dem Grund teilen.
    Aber weit und breit war nichts von dem Fisch zu sehen, der scheinbar ganz wild darauf gewesen war, ihn zu verschlingen.
    Vielleicht war er zurück in

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