Das Haus in den Wolken
Haar, das unter der Hutkrempe kaum zu sehen war, zu ihrer schlanken Taille, und mit jähem Erschrecken erkannte er, dass er sich bei ihrem Anblick nicht nur freute, gesiegt zu haben, sondern sich auch unwiderstehlich von ihr angezogen fühlte.
9
S IE SCHIEN MIT JEDER F RAGE nach ihm zu schnappen.
Wie heiÃt sie? Elaine Davenport. Sie sprach den Namen so vorsichtig aus, als könnte sie sich die Zunge daran verbrennen. Wie alt ist sie? Wo hast du sie kennengelernt? Wie sieht sie aus? Ist sie blond oder brünett? Wie lange geht das schon?
Als er protestierte und fragte, warum sie sich unbedingt quälen wolle, obwohl es längst vorbei sei, gab sie schroff zurück: »Solche Geschichten sind nie vorbei. Nie. Hast du mit ihr geschlafen, Richard?«
»Nein. Nein .«
»Aber du hast sie geküsst.«
Er dachte an den Lagerraum, ihre warme Haut unter der seidenen Bluse, den Gingeschmack auf ihren Lippen.
»Ich wollte das nicht«, sagte er hilflos.
»Du meinst«, korrigierte sie ihn mit einem Blick, der bis in seine Seele einzudringen schien, »du wolltest nicht, dass ich dahinterkomme.«
Es war der Tag gewesen, an dem er erfahren hatte, dass nun er Herr im Haus der Firma Provost war. Er hatte sich unbesiegbar gefühlt, jeder Herausforderung gewachsen.
Er hatte sich am gewohnten Ort mit Elaine getroffen. »WeiÃt du, dass dein Sohn bei mir war?«, fragte sie ihn ohne Einleitung.
Und er wiederholte bestürzt: »Mein Sohn? Philip?«
»Er kam erst zu mir nach Hause und dann in den Laden. Er weià über uns Bescheid, und deine Frau auch. Er war auÃer sich, und das mit Recht. Vor ihm kam ich mir billig vor. Tja, das wärâs dann wohl, tut mir leid. Ich wollte es dir persönlich sagen, Richard. Per Brief Schluss zu machen ï¬nde ich feige.«
»Schluss machen?« Er schien zu nicht mehr als dümmlichen Wiederholungen fähig zu sein.
»Ja, natürlich. Wir können uns nicht wiedersehen.«
Er versuchte sie umzustimmen. Das sei doch übertrieben, erklärte er. Sie brauchten nur eine Weile auf Distanz zu gehen, mehr nicht, aber sie brauchten doch nicht gleich die Verbindung abreiÃen zu lassen.
Er hatte die Verachtung in ihrem Blick wahrgenommen. »Nein, Richard, das geht nicht. Ich werde nicht noch mehr Schaden anrichten. Keine Treffen, keine Briefe, keine Anrufe. Wenn du Zeit gehabt hast, vernünftig darüber nachzudenken, wirst du mir recht geben.«
»Aber, Elaine«, protestierte er. »Ich liebe dich.«
»Nein, das tust du nicht, Richard«, widersprach sie kühl. »Du begehrst mich, und das ist etwas ganz anderes.«
Sie stellte das Glas, aus dem sie nicht getrunken hatte, auf den Tisch und ging. Erst wollte er ihr nachlaufen, aber das tat er dann doch nicht. Er war in einen so schmerzhaften Widerstreit der Gefühle, so blitzartig vom höchsten Glück in die tiefste Verzweiflung gestoÃen worden, dass ihm körperlich übel war, und er drückte eine Hand auf sein Herz, um seinen Puls zu prüfen. Einen Moment lang hatte er den Eindruck, nicht einmal mehr auf seinen Körper sei Verlass.
Nach einer Weile ging er und fuhr nach Hause. Die Zimmer kamen ihm fremd vor ohne Isabel. Es erschreckte ihn, dass Philip von Elaine Davenport wusste. Schwer genug, mit Isabel zu sprechen â unmöglich, darüber mit einem Sohn zu reden. Es ging Philip nichts an, dachte er zornig. Philip hatte kein Recht, sich einzumischen.
In seinem Arbeitszimmer nahm er sich die Bücher der Firma Provost vor. Doch seine Gedanken wanderten. Er dachte an Elaine, wie sie in ihrem Laden vor dem Spiegel stand, den Hut aufsetzte und sich dann lächelnd nach ihm umdrehte. Er verstand nicht, warum es so schwer war, etwas zu beenden, das doch nur Spaà gewesen war.
Als Richard das erste Mal nach Porthglas kam, schickte Isabel ihn weg, ohne ihn eines Wortes zu würdigen. Er hämmerte noch eine Weile an die Tür, dann hörte sie seinen Wagen anspringen, und kurz darauf verklang das Motorengeräusch in der Ferne. Briefe kamen. Sie warf sie ungelesen ins Feuer. Sie würde in Porthglas bleiben und hier ihr eigenes Leben führen ohne Kränkungen und ohne Erschütterungen; sie würde ihren Garten pï¬egen, malen und vielleicht eine kleine Arbeit in St. Ives annehmen. Wie konnte er es wagen, sie so tief zu demütigen â und dann auch noch mit einer Verkäuferin ? Doch warum sollte
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