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Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Titel: Das Haus in der Löwengasse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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würdest es mir auch nicht verzeihen können. Die Kinder …» Sie schüttelte den Kopf. «Es geht nicht. Heirate Frieda.» Hastig wandte sie sich um und rannte aus der Bibliothek. Er hörte ihre Schritte auf der Treppe und schloss für einen Moment die Augen.
    Sie liebte ihn. Er hatte es in ihrem Blick gesehen, hatte es mit jeder Faser seines Körpers gespürt. Die Gefühle, die ihn in diesem Moment zu überwältigen drohten, konnte er nur mit Mühe im Zaum halten. Er wusste jetzt, was er hatte in Erfahrung bringen wollen. Mehr brauchte es für ihn nicht.

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    Kapitel 24
    Schwer atmend und mit rasendem Herzschlag schloss Pauline die Tür ihres Schlafzimmers hinter sich und schob den Riegel vor. Sie ließ sich auf ihr Bett sinken und legte beide Hände an ihre glühenden Wangen. Julius Reuther liebte sie! Er hatte es ihr so geradeheraus ins Gesicht gesagt, dass sie an der Wahrheit seiner Worte nicht eine Sekunde zweifelte. Doch was für sie ein Moment des Glücks hätte sein sollen, hatte sich zu einem Albtraum entwickelt. Wie gerne hätte sie ihm gesagt, er solle Frieda vergessen und vor deren Eltern von der Verlobung Abstand nehmen. Natürlich wollte Pauline ihn ebenso sehr, wie er sie zu wollen schien. Noch immer spürte sie seine Lippen, noch immer war ihr Verlangen groß, ihm nahe zu sein. Aber das war und blieb unmöglich. Er durfte seine Fabrik, die Lebensgrundlage seiner Familie, nicht für eine Liebe opfern, die womöglich für immer vom Verlust seines Vermögens überschattet werden würde.
    Selbstredend würde Pauline ihn auch dann lieben, wenn er kein reicher Fabrikbesitzer wäre. Doch würde er es verkraften, alles zu verlieren? Sein Vater und er hatten hart für die Firma gearbeitet. Sie wusste nicht mit Sicherheit, wie schlimm es um die Fabrik stand. Doch da er ihr bestätigt hatte, dass er möglicherweise alles verlieren würde, wenn er Frieda nicht heiratete, rechnete sie mit dem Schlimmsten.
    Die kleine Mitgift von zwölfhundert Mark, die bei einem Notar in Bad Bertrich für sie hinterlegt war, erschien Pauline geradezu lachhaft in dieser Situation. Damit könnte sie vielleicht einen kleinen Handwerker oder möglicherweise einen städtischen Beamten beeindrucken. Für Julius bedeutete dieser Betrag sicherlich nur den Tropfen auf den heißen Stein. Sie war einfach keine geeignete Ehefrau für ihn. Frieda hingegen – ihre liebe Freundin Frieda – würde vermutlich weit mehr als das Zehnfache dieser Summe als Mitgift erhalten. Ganz zu schweigen von den Investitionen, die Friedrich Oppenheim Julius bestimmt in Aussicht gestellt hatte. Im Moment war Friedas Vater der Einzige, der noch gewillt war, in Julius’ Firma zu investieren.
    Pauline wusste, dass man Frieda nichts von der prekären Lage erzählt hatte, in der sich Julius befand. Auch Pauline hatte geschwiegen, obwohl sie unsicher war, ob das gegenüber der Freundin rechtens war. Auch wenn Frieda Bescheid gewusst hätte – vielleicht hatte sie längst die Gerüchte aufgeschnappt, die über Julius kursierten –, würde das nichts am Wunsch ihres Vaters ändern. Frieda war zu wohlerzogen und gehorsam, um sich diesem Wunsch zu widersetzen. Weshalb sollte sie auch? Sobald die beiden Firmen vereint wären, würde sich die Lage für Julius wieder entspannen, und sein guter Ruf wäre wiederhergestellt. Kein Hahn würde dann mehr nach den Gerüchten krähen. In solchen Fällen waren die Menschen erstaunlich vergesslich.
    Angestrengt versuchte Pauline, ihre widerstreitenden Gefühle zur Räson zu bringen. Schließlich stand sie auf und begab sich in ihr kleines Badezimmer. Sie zog ihr Kleid aus, hängte es ordentlich auf und wusch sich ausgiebig. Gerne hätte sie dazu heißes Wasser verwendet, aber sie traute sich nicht, hinunter in die Küche zu gehen. Nicht, solange Julius noch auf war. Sie wollte ihm heute Abend nicht mehr begegnen.
    Zusammen mit der nach Rosen duftenden Seife, die sie sich kürzlich auf dem Markt gekauft hatte, tat auch das kalte Wasser seinen Dienst. Sie wusch sich nicht wie sonst nur Gesicht und Hände, sondern weitete die Reinigung auf ihren ganzen Körper aus, in der Hoffnung, die unbekannten und beängstigend intensiven Gefühle auf diese Weise einfach abzuwaschen.
    Sie schlüpfte in ihr knöchellanges, mit hübschen Stickereien verziertes Nachthemd und schlang sich ein wollenes Tuch um die Schultern. Sorgfältig bürstete sie ihr Haar, flocht es zu einem lockeren Zopf, der bis zur Mitte ihres Rückens

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