Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
zwischen ihnen aufbaute. Sein raues Stöhnen mischte sich mit dem ihren; Pauline spürte nichts anderes mehr als ihn, alle übrigen Gefühle, jegliche Gedanken verloschen. Es gab nur noch sie beide.
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Kapitel 25
Länger als eine Stunde konnte Pauline nicht geschlafen haben. Als sie die Augen aufschlug, war es dunkel. Eine letzte Kerze im Leuchter flackerte noch, die restlichen waren bereits vollkommen heruntergebrannt. Im Kamin glomm noch ein wenig Glut.
Sie spürte Julius neben sich. Er lag dicht an sie geschmiegt, sein rechter Arm hielt sie fest umfangen, sein rechtes Bein lag quer über den ihren. Die Geborgenheit, die ihr diese innige Nähe vermittelte, ließ heiße Tränen in ihre Augen steigen. Die Erinnerung an die Ereignisse der vergangenen Stunden wühlte sie auf. Niemals hätte sie gedacht, dass sie etwas Ähnliches würde erleben – und empfinden – können. Doch wie sollte es jetzt weitergehen?
Sanft strich Pauline mit den Fingerspitzen über die glatte Haut an den Schultern dieses erstaunlichen Mannes. Ihr Herz schmerzte bei der Erkenntnis, dass sie beide einen großen Fehler begangen hatten. Einen Fehler, den sie nicht mehr rückgängig machen konnten.
Sie starrte zur Zimmerdecke hinauf. Es gab nur eine Sache, die ihr jetzt zu tun blieb. Wenn Julius schon nicht vernünftig sein wollte, dann musste sie es sein.
Vorsichtig wand sie sich unter ihm und schob sein Bein von sich. Er grummelte etwas Unverständliches und hob leicht den Kopf an. «Was tust du? Wo willst du hin?»
Pauline setzte sich vorsichtig auf und flüsterte: «Zurück in mein Bett, was sonst? Ich kann nicht hierbleiben, stell dir vor, jemand entdeckt uns!»
Sie hörte ihn einen frustrierten Laut ausstoßen, doch er gab sie frei, sodass sie sich erheben und eilig nach ihrer Wäsche und dem Nachthemd suchen konnte. Sie streifte sich die Kleidungsstücke über und schlich zur Tür. Er schien bereits wieder eingeschlafen zu sein – vermutlich war er gar nicht richtig wach gewesen. Auf Zehenspitzen verließ sie sein Schlafzimmer und schlich den Gang entlang. Als sie die Treppe passierte, vernahm sie unvermittelt Schritte.
«Guten Morgen, Fräulein Schmitz», sagte Jakob leise.
Sie erstarrte vor Schreck und blickte den Hausdiener entsetzt an, der bereits angekleidet war und Holzscheite für die Kamine hereintrug.
Jakob lächelte freundlich, aber ließ sich nicht anmerken, ob er überrascht war, sie zu sehen. «Gehen Sie rasch wieder zu Bett», empfahl er. «Nicht dass Sie sich verkühlen.»
Pauline nickte nur hastig und rannte beinahe zu ihrem Zimmer. Was musste Jakob jetzt bloß von ihr denken? Würde er den anderen Dienstboten erzählen, dass er sie am frühen Morgen aus Julius’ Zimmer hatte kommen sehen?
Nein. Als sie die Tür fest hinter sich schloss, schüttelte sie über sich selbst den Kopf. Das würde Jakob bestimmt nicht tun. Er war zu diskret und loyal. Aber trotzdem – die Situation hätte peinlicher nicht sein können und bestärkte sie in ihrem Entschluss, sofort zu handeln.
***
«Fräulein Schmitz, so eine Überraschung!», rief Annette Reuther, als sie die Diele ihres Hauses betrat, nachdem ihr Dienstmädchen ihr eine Besucherin gemeldet hatte. «Was verschafft mir denn die …» Sie brach ab, als sie die Reisetasche neben Pauline erblickte, und runzelte die Stirn. «Sie wollen verreisen?»
Pauline nickte mit ernstem Gesicht. «Ich muss … werde für eine Weile zurück nach Bad Bertrich gehen. Leider fährt das nächste Schiff Richtung Koblenz erst heute Mittag. Wäre es wohl möglich, dass ich so lange hier warte?»
Annette musterte die junge Frau eingehend. «Natürlich dürfen Sie das, aber weshalb um alles in der Welt warten Sie nicht in Julius’ Haus?» Sie legte den Kopf schräg, als sie das leichte Zittern von Paulines Händen wahrnahm, und deutete nun auch ihre starr aufrechte Haltung und den verkniffenen Zug um ihren Mund richtig.
«So», sagte sie. «Sie treten also die Flucht an?»
Pauline errötete und wich Annettes Blick aus. «Er wird Frieda nicht heiraten, wenn ich bleibe.»
«Und Sie glauben, er wird es tun, wenn Sie gehen?», fragte Annette Reuther skeptisch. «Weiß er, dass Sie auf und davon sind?»
Pauline verschränkte ihre Hände ineinander. «Er wird es wissen, sobald er nach Hause kommt. Heute Morgen wurde er sehr früh von seinem Anwalt aufgesucht, wohl wegen der Grenzstreitigkeiten auf dem Areal in Nippes.»
«Was wissen Sie darüber?», hakte Annette
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