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Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Titel: Das Haus in der Löwengasse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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denjenigen, die all die schwere Arbeit taten, damit es ihren Herrschaften wohl erging. Sie hatte niemals einen Gedanken daran verschwendet, wie es in diesen Menschen aussah. Nun wusste sie es.
    Damit Frau Stein nicht ungeduldig wurde, beeilte sich Pauline mit dem Kräuterumschlag. Einen Dank erhielt sie von ihrer Herrin nicht, dafür bat diese sie jedoch, ihr noch ein wenig aus dem Roman vorzulesen, den sie sich von einer ihrer Freundinnen geliehen hatte. Also tat Pauline ihr auch diesen Gefallen. Sie las, bis Frau Stein eingenickt war. Dann breitete sie vorsichtig die Bettdecke über ihr aus, legte den Umschlag beiseite und nahm das Tablett mit der leeren Teetasse an sich. Sie löschte das Licht und schlich auf Zehenspitzen hinunter in die Küche, spülte die Tasse aus, damit es keine Ränder gab, und holte zum zweiten Male an diesem Abend die Leiter unter dem Treppenaufgang hervor. Als sie sich unter ihre dünne Decke schob und die Augen schloss, war es kurz nach Mitternacht.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 4
    «Wo bleibst du denn, Pauline!», schimpfte Elfie, die ein Bündel Briefe in der Hand hielt. «Frau Stein fragt schon seit einer halben Stunde nach dir. Hier, die kannst du gleich mit raufnehmen. Hast du die Medizin gekriegt? Ich will hoffen, dass sie wirkt. Die schlechte Laune der Gnädigen ist ja kaum auszuhalten. Ein Glück, dass du dir ihre Tiraden jetzt anhören darfst. Ich werde mit den Kindern einen Spaziergang zum Hafen machen, solange das Wetter noch gut ist.»
    «Ja, ich war beim Apotheker am Alter Markt.» Wie zur Bestätigung ihrer Worte hob Pauline eine festverschlossene Dose aus ihrem Korb. «Er hat mir die Medizin für die gnädige Frau mitgegeben und noch einen speziellen Tee.»
    «War der alte Herr Burka da oder sein Sohn?», wollte Elfie wissen. «Der junge Apotheker ist mir viel lieber. Ein richtig hübscher junger Mann. Könnte mir auch gefallen, aber unsereins fragt ja niemand.»
    «Der alte Herr Burka hat mir die Medizin verkauft. Ich fand ihn sehr freundlich.»
    Elfie rümpfte die Nase. «Mädchen, wenn du hier raus willst, solltest du lieber die Augen aufhalten. Mit dem Alten ist doch nichts anzufangen. Der ist doch schon seit dreißig Jahren verheiratet. Aber sein Sohn ist noch ledig, wie man hört. Ich hätte an deiner Stelle gewartet, bis er da ist, und ihm ein bisschen geschmeichelt.»
    «Elfie!» Entsetzt starrte Pauline das Kindermädchen an. «Das ist doch wohl nicht dein Ernst.»
    «Warum denn nicht?»
    «So etwas schickt sich nicht.»
    «Papperlapapp. Hast doch eine ganz ansehnliche Larve. Wenn ich ein bisschen jünger wäre, würde ich nicht zögern. Schon gar nicht, wenn ich so eine Zimperliese wie du wäre und mich für was Besseres hielte.»
    «Das tue ich doch gar nicht!»
    «O bitte! Gnädige Frau hier, gnädiger Herr da, kann ich Ihnen noch den Nachttopf hinterhertragen?»
    «Was ist falsch daran, wenn ich meine Arbeit gut mache?»
    «Du machst dich lieb Kind bei der Herrschaft!»
    «Ich will nur meine Stelle nicht verlieren.» Pauline senkte den Kopf.
    «Ja, ja, deshalb putzt du dich auch immer so heraus, wie? Hoffst wohl, dass der gnädige Herr noch anderweitig Gefallen an dir findet. In diesem Falle bräuchtest du dem Apotheker auch keine schönen Augen zu machen, nicht wahr?»
    «Elfie!» Pauline starrte das Kindermädchen entsetzt an. Das Blut stieg ihr unangenehm warm ins Gesicht. «Nimm das sofort zurück!»
    «Warum sollte ich?»
    «Weil es nicht wahr ist!», rief Pauline aufgebracht.
    «Ach nein? Und warum wirst du dann rot?», fragte Elfie mit einem hämischen Lächeln. «Aber weißt du was – mach, was du willst. Ich habe Besseres zu tun.» Damit wandte sie sich ab und rief nach den Kindern.
    Pauline sah ihr für einen Moment betroffen hinterher. Wenn Elfie doch nur wüsste, wie falsch ihr Verdacht war! Nichts lag Pauline ferner, als ihrem Arbeitgeber – oder irgendeinem anderen Mann – schönzutun. Auch nicht dem Apotheker oder dessen Sohn.
    Natürlich hatte Elfie insofern recht, dass eine Ehe mit einem achtbaren Mann ihr die Möglichkeit verschaffen würde, aus ihrer derzeitigen Stellung zu entfliehen. So wie Tine, die in weniger als drei Wochen mit einem kleinen städtischen Beamten vor den Traualtar treten und dann einen eigenen Hausstand gründen würde. Bescheiden zwar, aber allemal besser als die Schufterei als Dienstmädchen.
    Für Pauline kam dies nicht in Frage. Außerdem würde sowieso kein achtbarer Mann sie haben wollen. Nicht nur, weil sie

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