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Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Titel: Das Haus in der Löwengasse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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war.»
    Besorgt trat nun Pauline selbst an die Tür. «Ricarda, geh bitte hinunter und hilf Berthe ein bisschen in der Küche oder Kathrin beim Tischdecken, ja?»
    «Holen Sie mir meine Malsachen?»
    «Ich möchte erst feststellen, was in der Schule geschehen ist. Bitte geh jetzt.»
    «Na gut.» Ricarda fügte sich und schlich die Treppe hinunter.
    Pauline wartete kurz, dann klopfte sie leise an die Tür. «Peter? Würdest du bitte die Tür öffnen?»
    Im Zimmer rührte sich nichts, also klopfte Pauline erneut, diesmal ein wenig energischer. «Peter? Mach bitte die Tür auf! Ich habe gehört, dass du verletzt bist, und möchte mir deine Wange ansehen.» Sie wartete einige Augenblicke. «Peter?»
    Jetzt raschelte etwas. «Gehen Sie weg!» Peters Stimme klang wütend und leicht zittrig, als hätte er geweint.
    Pauline atmete auf. «Peter.» Sie sprach ganz ruhig. «Ich möchte mir wirklich gerne deine Wange ansehen. Jakob sagt, sie sei geschwollen. Kann es vielleicht sein, dass du Zahnschmerzen hast?»
    «Nein, hab ich nicht.» Die Stimme des Jungen klang ehrlich überrascht.
    «Dürfte ich mich vielleicht selbst davon überzeugen? Wenn du nämlich Zahnschmerzen hast, müssten wir einen Arzt holen.»
    «Ich hab keine Zahnschmerzen, und ich brauche keinen Arzt.»
    «Aber wenn du verletzt bist? Was soll ich denn deinem Vater sagen, wenn er erfährt, dass ich mich nicht um deine Wunde gekümmert habe.»
    «Ich habe mich nicht verletzt.»
    Im Zimmer wurden Schritte laut, dann drehte sich der Schlüssel im Schloss. Als Pauline eintrat, hatte der Junge sich bereits wieder auf sein Bett zurückgezogen und spielte mit seinem Holzpferdchen. Sein Gesicht und seine Augen waren gerötet – ein sicheres Zeichen, dass er geweint hatte. Und seine linke Wange war tatsächlich leicht geschwollen.
    Pauline setzte sich auf den Bettrand und schwieg, bis Peter den Kopf hob und sie fragend ansah. Erst dann lächelte sie. «Gott sei Dank, das sieht wirklich nicht nach Zahnschmerzen aus. Weißt du, ich hatte mal welche, als ich ein bisschen älter war als du und Ricarda. Damals war meine Wange bis hinauf zum Auge angeschwollen, und ich konnte kaum noch sprechen und gar nichts mehr essen.»
    «Echt?» Peter machte große Augen. «Und was haben Sie dann gemacht?»
    «Ich bin zu meinem Onkel gegangen. Der war Arzt, weißt du. Aber er hat mich zu einem anderen Doktor gebracht, der sich mit Zähnen auskennt. Der hat mir dann einen Backenzahn gezogen, der schon ganz entzündet war.»
    «Ui!» Mit offenem Mund starrte Peter sie an. «Das hat aber bestimmt weh getan.»
    «O ja, es war nicht angenehm. Aber das Zahnziehen war nicht so schlimm wie die Schmerzen, die ich zuvor die ganze Nacht hatte. Doch deine Wange sieht nicht aus, als wäre es das.» Sie hielt kurz inne. «Was ist passiert? Hat dir jemand eine Ohrfeige gegeben? Ein Mitschüler vielleicht oder dein Lehrer?»
    Sofort verdüsterte sich Peters Miene wieder. Er drehte den Kopf weg und starrte die Wand an. Pauline seufzte leise. «Weißt du, ich kann dir nicht helfen, wenn du mir nicht sagst, was geschehen ist.»
    «Sie können mir auch nicht helfen, wenn Sie es wissen.»
    «Wie bitte? Wie kommst du denn darauf?»
    «Sie schimpfen nur und haben Ricarda viel lieber.»
    «Aber das …» Darauf fiel Pauline zunächst nichts ein. «Das stimmt doch nicht, Peter. Warum glaubst du, dass ich Ricarda lieber habe als dich? Ich mag euch beide sehr gern.»
    «Ricarda kann alles besser als ich und darf immer neue Sachen lernen. Ich bin dumm und kann nicht mal richtig lesen und malen auch nicht und rechnen und … Und deshalb muss ich immer so langweilige Sachen machen und immer alles hundertmal wiederholen, weil Sie böse auf mich sind.»
    «Ach herrje, Peter!» Ohne auf den Widerstand des Jungen zu achten, zog sie ihn in ihre Arme. «So ist das doch gar nicht! Weißt du, natürlich ist Ricarda in vielen Dingen besser, aber doch nur, weil sie zwei Jahre älter ist als du. Du wirst all die Dinge, die sie kann, noch lernen.»
    «Aber ich bin dumm. Das sagt mein Lehrer auch. Und deshalb … Ich hab vorgelesen, aber es ging ihm nicht schnell genug. Er sagt immer, ich müsse mehr üben, aber dass das wahrscheinlich auch nichts mehr hilft, weil Dummköpfe eben nichts können. Da hab ich gesagt, dass ich gar kein Dummkopf bin und … und …» Er schluchzte.
    «Daraufhin hat er dich geohrfeigt? Das ist ja wirklich unglaublich!», rief Pauline erschüttert. «Peter, natürlich bist du nicht dumm! Du kannst

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