Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)
entlang. Nein, warte, vielleicht doch hier. Ich weiß nicht«, gestand er schließlich seine Niederlage ein.
»Viel weißt du ja nicht.« Sie ging weiter.
»Könntest du bitte wenigstens langsamer gehen?«
»Ich will nicht langsamer gehen. Ich will nach Hause.«
»Willst du bis nach Brooklyn laufen? In den Schuhen?«
Brianne wusste nicht genau, ob Tyler es ernst meinte oder einen Witz gemacht hatte, doch ihre Geduld war in jedem Fall aufgebraucht. Sie war müde, nass und stinksauer und wusste nicht einmal, ob sie wütender auf ihn oder auf sich selbst war. Sie hätte sich nicht mit ihm treffen dürfen. Sie hätte auf ihre Mutter hören sollen. Zumindest hätte sie auf Hayden hören sollen, der ihr geraten hatte, zum Campingplatz zurückzukehren. Er meinte es nur gut, und sie hatte es ihm gedankt, indem sie ihn bewusstlos am Straßenrand zurückgelassen hatte. Wenn ihm etwas zustieß, war das allein ihre Schuld. Ich will zu meiner Mama, dachte sie und musste mehrmals schlucken, um die Worte nicht laut auszusprechen.
»Alles wäre okay, wenn wir im Wagen geblieben wären«, murmelte Tyler irgendwo hinter ihr. »Zumindest würden wir dann jetzt nicht am Arsch der Welt durch den Regen rennen und bis auf die Haut nass werden. Wir könnten uns auf der Rückbank um den Verstand vögeln, was ja auch irgendwie der Plan war, dachte ich …«
»Ja klar, als ob du in einem Zustand wärst, irgendwas zu machen.«
»Hey. Tyler Currington wächst immer mit seinen Aufgaben.«
»Bitte. Erspar mir dein Gequatsche.« Bei der Vorstellung, wie sie zu zweit auf der Rückbank seines Wagens herumrollten, drehte sich ihr der Magen um. Sie konnte nicht begreifen, dass sie ihn irgendwann mal tatsächlich attraktiv gefunden hatte. So attraktiv, dass sie ihm ihre Jungfräulichkeit geopfert hatte. Sie stöhnte bei der Erinnerung, wie sie versucht hatte, das Blut mit ihrem T-Shirt aufzuwischen, das ihre Mutter dann später auf dem Fußboden ihres Zimmers entdeckt hatte.
Was ist das , hatte sie argwöhnisch gefragt und das fleckige Hemd ins Licht gehalten. Ist das Blut ?
Tut mir leid, Mami , entschuldigte sie sich stumm und versuchte, ihre Mutter aus ihren Gedanken zu verdrängen. »Scheiße.« Musste sie immer so … recht haben?
»Was ist jetzt wieder los?«
»Der Regen ist heftiger geworden, falls du es nicht bemerkt hast.«
In der Ferne grollte Donner.
»Das ist jetzt nicht wahr, oder?« Brianne blickte in den Himmel und wartete auf einen Blitz.
»Ich hab ja gesagt, wir sollen im Wagen bleiben.«
»Danke. Wirklich sehr hilfreich. Willst du es noch mal sagen?«
»Warum muss es so scheiß dunkel sein?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht weil wir mitten in der Nacht am beschissenen Arsch der Welt sind.«
»Meinst du, du könntest dir deinen Sarkasmus eine Zeitlang sparen?«
»Weiß nicht«, antwortete Brianne. »Meinst du, du könntest dir deine Blödheit sparen?«
»Okay, ich mach dir einen Vorschlag. Warum hältst du nicht einfach die Klappe? Okay? Was hältst du von dieser großartigen Idee?«
»Idiot.« Die Tränen in Briannes Augen vermischten sich mit den Regentropfen auf ihren Wangen. Du kannst mich mal, Tyler Currington, dachte sie und kämpfte sich weiter voran ohne den Hauch einer Ahnung, wohin. Und Sasha, die sie überhaupt erst miteinander bekannt gemacht hatte, konnte sie auch mal. Und ihr Dad, weil der sich verspätet und alles durcheinandergebracht hatte. Wieder einmal. Wie immer. Die ganze Welt konnte sie mal, dachte sie, blieb mit dem Absatz an einem Baumstamm hängen, stolperte und fiel in einen Blätterhaufen. »Scheiße. Scheiße. Scheiße.«
Tyler war sofort bei ihr. »Alles in Ordnung?«
Brianne wischte sich Erde und feuchte Blätter aus dem Gesicht und von den Händen und brach in Tränen aus. In ihrem Knöchel breitete sich erneut ein pochender Schmerz aus. »Nein, nichts ist in Ordnung. Ich bin pitschnass und durchgefroren, und ich glaube, ich habe mir gerade den scheiß Knöchel gebrochen.«
»Komm, er ist nicht gebrochen.«
»Ach ja? Entschuldige, aber wann genau hast du dein Medizinexamen gemacht?«
»Er ist wahrscheinlich nur verstaucht. Was hast du auch erwartet in diesen blöden Schuhen?«
»Die Schuhe sind nicht blöd«, sagte Brianne. »Du bist blöd.«
»Ich bin nicht derjenige, der mit High Heels durch den Wald rennt. Komm, hör auf zu heulen, und versuch aufzustehen.«
Brianne gehorchte schniefend und widerwillig, aber der Schmerz war so intensiv, dass sie sofort wieder zu Boden sank.
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