Das Herz des Ritters
hoffen gewagt hatte und die ihn nun bis in die tiefsten Winkel seiner Seele erfüllte.
Zahirah lag in Sebastians Armen, lauschte seinen Atemzügen und spürte, wie er in einen tiefen, ruhigen Schlummer fiel. Sie würde in dieser Nacht keinen Frieden finden. Tatsächlich würde sie niemals wieder Frieden finden. In dieser Nacht hielt er sie zum letzten Mal in den Armen, erfuhr sie zum letzten Mal das Wunder seiner Liebe, die Glückseligkeit ihrer vereinten Körper.
Selbst das Paradies – falls die schreckliche Mission, zu der ihr Vater sie zwang, ihr tatsächlich Zugang zu diesen himmlischen Gefilden gewährte – konnte kein größeres Glück für sie bereithalten als jenes, das sie mit Sebastian erlebt hatte. Und selbst die heißeste Hölle konnte kaum unerträglicher sein als der Kummer und die Schuldgefühle, die sie beim Anblick des Mannes quälten, den sie mehr liebte als ihr Leben und von dem sie wusste, dass er bereits in wenigen Stunden nicht einmal mehr den Gedanken an sie würde ertragen können.
Diese Erkenntnis war wie eine eiserne Klammer, die sich um ihr Herz zusammenzog und ihr sämtliche Luft zum Atmen raubte. Sie konnte nicht schlafen, konnte aber auch die erdrückende Last ihrer Gedanken nicht ertragen. Behutsam löste sie sich aus Sebastians Umarmung und verließ sein behagliches Bett. Hinter den sanft im Wind wehenden Vorhängen, die den Balkon einrahmten, stand der Mond hell und strahlend an einem tiefschwarzen Himmel. Sein milchiges Licht ergoss sich in die Kammer und tauchte alles in ein bleiches überirdisches Licht, das die leuchtend bunten Teppiche beinah farblos erscheinen ließ. Lange Schatten fielen zwischen die Figuren des
Schatrandsch
-Brettes auf dem kleinen Tisch, wo sie es am Nachmittag zu einer neuen Partie aufgestellt hatte.
Wie in Trance ging Zahirah zu dem Tisch hinüber und ließ den Blick über das Brett schweifen. Ordentlich aufgereiht standen die Figuren vor ihr; kleine feindliche Soldaten, bereit, in den Krieg zu ziehen und sich zu opfern. Beim
Schatrandsch
war der Krieg einfach, gab es eine klare Unterscheidung zwischen Schwarz und Weiß. Im wahren Leben war er jedoch viel grausamer. Sie nahm den weißen König von seinem Feld, hielt ihn ins Mondlicht und betrachtete ihn träge. Wie sie dieses Stück kalten Steins beneidete. Es führte seine Aufgabe ohne Gefühle aus, konnte ohne Reue zu der angewiesenen Position ziehen, betrauerte keine Verluste und hegte keine Wünsche, die niemals wahr werden konnten. Auch sie hatte einmal diese Zielstrebigkeit besessen – doch das war schon lange her, fast eine Ewigkeit, wie es ihr schien.
Sie musste diese Zielstrebigkeit wiederfinden – nie hatte sie sie dringender gebraucht als jetzt.
Sich für das wappnend, was sie tun musste, für die erschütternde Vorstellung, dass am nächsten Tag zu dieser Zeit ihre Welt und alles, was ihr etwas bedeutete, zunichtegemacht sein würde, legte sie den weißen König in die Mitte des Brettes. Tränen der Reue brannten in ihren Augen, als sie den Blick auf Sebastian richtete, der wohlig hingestreckt in seiner nackten männlichen Pracht auf dem Bett in tiefem Schlummer lag.
»
Shah mat
, Geliebter«, flüsterte sie. »Dein König ist tot.«
25
»Du bist wach«, sagte Sebastian, als er wenige Stunden später die Augen öffnete und sie neben sich erblickte.
Ein kleines Lächeln auf den Lippen, nickte Zahirah. Vor einer Weile war sie zu ihm ins Bett zurückgekehrt, doch sie hatte keinen Schlaf gefunden, und nun, da der Morgen dämmerte, grämte es sie, dass die Nacht so schnell vergangen war. Sebastians starke Beine waren um die ihren geschlungen; er beugte langsam die Knie und zog sie an sich, bis ihre Hüften sich an die seinen pressten. Er war hart unter der Decke, und ihr Körper reagierte sofort darauf und ließ ihr Herz schneller schlagen. Doch sie scheute sich davor, ihrer Begierde nachzugeben und zwang sich, den inbrünstigen Wunsch zu unterdrücken, einfach in seinen Armen liegenzubleiben, solange er sie halten wollte.
»Meine Morgengebete«, sagte sie schwach. »Ich darf sie nicht vernachlässigen.« Sie legte die Hand auf seine nackte Brust, um ihn zärtlich von sich zu schieben, und stellte fest, dass sie unwillkürlich die Augen schloss, um sich einzuprägen, wie sein Herz gegen ihre Finger pochte.
Er fühlte sich so lebendig und warm an; die Berührung schien sie förmlich zu verbrennen und ließ die Entschlossenheit schmelzen, die sie so sehr zu wahren versuchte. Bevor
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