Das Herz des Yoga: Körper, Geist, Gefühle - Die drei Säulen der Transformation
»Ich hasse es, wenn …«, oder: »Meine Firma wird die Konkurrenz plattmachen …« Solche Aussagen offenbaren einen Geisteszustand, der auf Überleben, Eroberung, starken Ehrgeiz und Abneigungen ausgerichtet ist. Angst, Hass, Begehren usw. werden aus dem Egogeist geboren. Dieser hält sich für einen König, ist aber tatsächlich ein Sklave, denn er reagiert mehr, als dass er agiert. Er reagiert auf Wünsche und Begierden unbekannten Ursprungs oder auf Abneigungen, die er nicht versteht. Er fürchtet die Stille, denn er assoziiert Denken mit Sein und meint daher, im Denken innezuhalten bedeute den Tod. Das ist der Grund für Hyperaktivität und eine Abneigung gegen die Meditation. Der Egogeist ist ein Gefangener seiner selbst. Er ignoriert die Logik und gibt vor, der Intuition zu folgen, wird aber in Wirklichkeit an den Ketten zwanghafter Gefühle davongezerrt. Oder er benutzt die Logik als Rechtfertigung für schädigendes Verhalten. Der Faden, der sich durch alles zieht, ist »ich, mir, mein«.
Die Tyrannei des Egogeistes ist nichts Einmaliges in dieser Welt; vielmehr ist dies der übliche und als normal angesehene Bewusstseinszustand, obwohl wir bei genauerer Betrachtung das, was wir normal nennen, wohl als geisteskrank bezeichnen könnten.
Viele spirituelle Traditionen sagen aus, dass der essenzielle Irrtum des Menschen in der Illusion besteht, wir seien der Egogeist, auch als Maya oder Samsara bekannt. Der Egogeist erkennt nicht seine naturgegebene Verbundenheit mit allen anderen Wesen oder der höchsten schöpferischen Kraft im Universum.
Das spirituelle Ziel des Yoga, Buddhismus, Sufismus und Christentums beinhaltet das Auflösen des Ego und das Erwachen der Seele aus ihrem schlafwandlerischem Zustand. (Erinnern Sie sich an den Vergleich mit der Kutsche mit ihrem schlafenden Passagier?) Dieses Erwachen hat viele Bezeichnungen und Namen, darunter Erleuchtung, Moksha , Nirvana, Einssein mit Gott, Universales Bewusstsein und Gotteserkenntnis. In der Bhagavad Gita (2, 71–72) heißt es zum Beispiel: »Jemand, der alle Wünsche nach Sinnenbefriedigung aufgegeben hat, der frei von Wünschen ist, allen Anspruch auf Besitz aufgegeben hat und frei von falschem Ego ist – er allein kann wirklichen Frieden erlangen. Das ist der Weg des spirituellen und gottgefälligen Lebens. Nachdem man es erreicht hat, ist man nicht mehr verwirrt. Ist man selbst zur Stunde des Todes in diesem Bewusstsein verankert, kann man in das Königreich Gottes eintreten.«
Das Ego wird versuchen, unser spirituelles Leben für sich zu beanspruchen, und wieder einmal danach trachten, sich über alle anderen zu erheben. Ihr Ego mag Sie dazu bringen, ein spiritueller Gelehrter zu werden und stolz auf die vielen Bücher zu sein, die Sie gelesen haben, oder auf die vielen Gesänge, die Sie auswendig gelernt haben. Um aber bei dieser Arbeit weiterkommen zu können, müssen Sie zunächst etwas verstehen: Um echtes spirituelles Wissen zu erwerben – oder profan ausgedrückt, um sich auf tiefer und grundlegender Ebene zu wandeln –, müssen Sie sich als Erstes von der Vorstellung trennen, dass spirituelles Wissen durch Gelehrsamkeit erworben wird. Das ist nämlich nicht so. Auswendig gelernte Information ist nicht gleich integriertes Wissen. Wenn das Auswendiglernen zu diesem Ziel führen würde, würden alle, die auf dem Weg sind und über ein fotografisches Gedächtnis oder einen überdurchschnittlichen IQ verfügen, zur Erleuchtung gelangen. Aber das ist nicht der Fall. Ähnliches gilt für die Praxis der Stellungen des Hatha Yoga: Wenn unser Ziel durch das Meistern der fortgeschrittenen Yogastellungen erreicht würde, wären alle olympischen Kunstturner erleuchtet. Und auch das stimmt nicht.
Informationen beziehen wir aus Büchern, empirisches Wissen hingegen erlangen wir aus der unmittelbaren persönlichen Erfahrung. Mystiker und Mystikerinnen stellen einen direkten Kontakt zur göttlichen Quelle im Innern her, und aus dieser Erfahrung erhalten wir ein empirisches, auf Erfahrung beruhendes Wissen. Wir gründen unser Leben und unsere Lehren auf empirisches Wissen. Das ist alles, worauf wir uns unterm Strich gesehen stützen können. Alles andere kann flüchtiger Natur sein und sich als falsch herausstellen; nur empirisches Wissen gehört wirklich uns.
Überall anderswo, nur nicht hier
Der Egogeist möchte fast nie da sein, wo sich der Körper befindet. »Überall anderswo, nur nicht hier« lautet sein Motto. Und wie bereits erwähnt: Das
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