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Das Hotel

Das Hotel

Titel: Das Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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durch eine Lücke in den Baumkronen zu ihm herunter schien, hatten sich seine Augen noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt, sodass er nur wenig in der Finsternis ausmachen konnte. Seine Nase funktionierte jedoch. Es stank beißend und widerlich nach verwestem Fleisch, Blut und Fäkalien.
    Der typische Gestank eines Raubtiers.
    Die Schlüssel für die Handschellen steckten noch immer in seiner Tasche. Und jetzt, da die Hände vor seinem Bauch gefesselt waren, besaß er eine Chance.
    Er hob die rechte Hand. Er wollte sie sich eigentlich nicht anschauen, aber musste wissen, wie schlimm es um sie stand. Felix blinzelte in die Dunkelheit und sah Ringfinger, Mittelfinger und Zeigefinger um fünfundvierzig Grad nach hinten gebogen. Die blutigen Bandagen begannen erneut zu tropfen. Felix versuchte die Hand zu bewegen, und eine Welle von Schmerz durchflutete ihn. Am liebsten wäre er in diesem Moment gestorben, damit die Qualen ein Ende fanden.
    Ich werde es nie schaffen, die Schlüssel aus der Tasche zu ziehen.
    Felix blickte zur Höhle und sah darin eine dunkle Silhouette, die sich langsam auf ihn zu bewegte.
    Als Kelly die Augen öffnete, lag sie auf blanker Erde.
    Bin ich im Freien? Was geht hier vor sich?
    Dann erinnerte sie sich, und eine Flut von Bildern tauchte vor ihrem inneren Auge auf. Sie war in den Schrank geklettert, war JD gefolgt und hatte mit Alice gesprochen.
    Nein, nicht mit Alice. Alice ist in Wahrheit ein völlig durchgeknallter Typ namens Grover. Er hat mich erwischt, weil mein Finger …
    Dann setzte der Schmerz ein. Kelly starrte auf ihren Zeigefinger und entdeckte stattdessen einen furchterregenden, hässlichen Stumpen. Nur einmal zuvor in ihrem Leben hatte sie eine solche Verletzung gesehen, bei einem Klassenkameraden. Er hatte seinem Vater beim Aufstellen von Fallen geholfen. Eine davon war zugeschnappt. Kelly schloss daraus, dass Grover auf der anderen Seite der Wand ein Tellereisen angebracht hatte, um sie festzunageln.
    Sie winkelte den Knöchel an und zuckte vor Schmerzen zusammen. Die Tränen stiegen in ihre Augen, doch sie biss die Zähne zusammen.
    Weinen kann ich später. Erst muss ich herausfinden, was hier vor sich geht.
    Sie blickte sich um und nahm aufmerksam ihre Umgebung in Augenschein.
    Obwohl Kelly auf der Erde lag, befand sie sich nicht in der freien Natur, sondern in einem winzigen, dunklen Zimmer. Die Wände bestanden aus Beton, die Tür war aus Metall. Ansonsten gab es nur einen Eimer und eine Wasserpumpe.
    » Mom! Grandma!«
    Ihre Stimme hallte in der engen Zelle wider. Kelly stand auf und lief zur Tür.
    Verschlossen.
    » Mom!«, rief sie erneut so laut sie konnte.
    » Wer ist da?« , kam eine Antwort. Es war eine männliche Stimme, die nicht weit entfernt war.
    » Helfen Sie mir! Ich bin hier gefangen!«
    » Ich auch« , erwiderte die Stimme. Es hörte sich an, als käme sie aus einem Raum links von ihr. Sie lief zur Wand, formte die Hände zu einem Trichter, legte sie gegen den Beton und sprach dann leise: » Können Sie mich hören?«
    Dann presste Kelly ihr Ohr gegen den kalten Beton und wartete auf eine Antwort.
    » Ja, ich kann dich hören.« Die Stimme war zwar nicht mehr so laut, aber klar und deutlich.
    » Wo sind wir?«, fragte Kelly.
    » Wir sind in Zellen unter dem Rushmore Inn.«
    » Was haben die mit uns vor?«
    » Die sind krank. Die brauchen uns für Bluttransfusionen und …«
    Die Stimme verstummte. Das gefiel Kelly gar nicht. Als ob sie ihr etwas hatte sagen wollen, aber sich letztlich dagegen entschieden hätte.
    » Und für was?«
    » Wie heißt du?«
    » Kelly. Und Sie?«
    » Cam. Ich bin mit Felix, dem Verlobten meiner Schwester, hierhergekommen. Wir haben ein ganzes Jahr lang nach meiner Schwester gesucht. Wir glauben, dass sie hier ist.«
    Ein Jahr lang? Sie ist schon ein ganzes Jahr hier in dieser Hölle?
    Kelly schüttelte fassungslos und verzweifelt den Kopf.
    Ich kann kein Jahr hier aushalten.
    » Haben Sie Mom oder Grandma gesehen?«, fragte sie. Ihre Stimme wurde höher, je stärker die Panik drohte, sie zu überwältigen. » Letti und Florence Pillsbury?«
    » Ich habe niemanden gesehen. Nur den Typen, der mich hergebracht hat. Hässlicher Kerl. Die brauchen unser Blut, weil ihr eigenes krank ist oder so.«
    Kelly verschluckte sich beinahe vor Grauen. » Unser Blut?«
    » Ich bin Blutgruppe null Rhesus negativ. Und meine Schwester auch. Das ist ziemlich selten.«
    Kelly schloss die Augen. Auch sie war null Rhesus negativ. Und Mom und Grandma

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