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Das Hotel

Das Hotel

Titel: Das Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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sicher, dass er genauso handeln würde, wenn er an ihrer Stelle wäre.
    Auf der nächsten Tür stand Abraham Lincoln . Deb zückte erneut das Messer und hielt es vor sich in die Höhe, ehe sie in das Zimmer stürmte. Sie schaltete das Licht an und wurde prompt von einhundert Abraham Lincolns begrüßt. Ein lebender Mensch war nirgends zu sehen.
    Als Nächstes kam Calvin Coolidge. Die Tür war, wie jede andere, nicht abgeschlossen. Deb fragte sich, ob die Schlösser überhaupt funktionierten. Dann drehte sie den Drehknopf des Türknaufs, der eigentlich als Schloss diente.
    Sie lassen sich nicht verschließen.
    Erneut trat sie in ein dunkles Zimmer, tastete nach dem Lichtschalter an der Wand …
    … und berührte einen Mann.
    Deb zuckte zusammen und machte einen Rückzieher in den Flur, bis ihr Hintern gegen das Geländer stieß. Für einen kurzen Moment dachte sie, dass sie hintenüber in die Tiefe fallen würde, also senkte sie kurzerhand durch einen Spagat ihren Schwerpunkt.
    Wen oder was auch immer sie unabsichtlich angefasst hatte – die Gestalt trat aus dem dunklen Zimmer in den beleuchteten Flur. Im Licht sah sie schließlich, dass er einen sehr ausgeprägten, durchweg behaarten Augenbrauenwulst besaß. Sein riesiger Kopf war nach oben abgeflacht, die Arme waren länger als normal, und die Finger schienen zu einem Dreieck zusammengeschmolzen, wie die Flossen einer Robbe. Um die andere Hand befand sich ein blutiger Verband.
    Das widerlichste an ihm war jedoch sein Rumpf. Er trug kein Hemd, und seine blasse, haarlose Brust war von …
    … Brustwarzen übersät. Überall Brustwarzen.
    Der Freak öffnete den Mund und gab ein Geräusch von sich, das dem Schnattern einer Kanada-Gans glich. Dann warf er sich auf sie.
    Deb streckte ihm die Klinge entgegen, doch er schlug sie mit seiner verarzteten Hand beiseite, sodass das Messer über den Boden schlitterte.
    Calvin gab erneut ein schnatterndes Geräusch von sich und umschlang sie mit den Armen. Brustwarzen stachen ihr ins Gesicht und in die Augen. Deb versuchte sich abzuwenden, doch er drückte sie zu fest an sich.
    Hinter ihr knarzte das Geländer.
    Calvin ließ von ihr ab. Er schien zu fürchten, dass die Balustrade brach und er in die Tiefe stürzen könnte. Deb nutzte die Gelegenheit und warf sich auf das Messer. Sie berührte es, bekam es aber nicht zu fassen. Stattdessen schlitterte es Richtung Geländer.
    Nicht über die Kante rutschen! Nicht fallen!
    Am Rand des Abgrunds federte die Klinge auf und ab, bis sich ihre Lage stabilisierte. Deb streckte sich und versuchte, das Messer zu greifen, als plötzlich ihre Haare nach hinten gerissen wurd en. Dann spürte sie, wie ihre Kopfhaut nass wurde.
    Sie drehte sich, so gut sie konnte, um einen Blick zu erhaschen.
    Er beißt meine Haare.
    Deb versuchte sich dagegen zu stemmen, aber ihre Prothesen gaben ihr keinen Halt. Dann dachte sie an ihre Tasche, deren einer Riemen noch an ihrer Schulter hing, und schnappte nach ihr.
    Calvins Hände legten sich um ihren Hals, und Deb glaubte, dass er sie erwürgen wollte, doch stattdessen tasteten sich die Flossen des Perversen weiter nach unten, bis er ihre Brüste fasste.
    Pech gehabt.
    Deb öffnete den Reißverschluss der Tasche und zog eine der stachelbewehrten Kletterprothesen heraus.
    Die Stacheln trafen Calvin genau ins Auge.
    Er brüllte auf, ließ von ihr ab, fiel zu Boden und hielt sich beide Hände vor das Gesicht.
    Deb schnappte sich das Messer, zog sich aufrecht und stellte sich in Angriffspose. Aber die rhythmischen Schluchzer, die Calvin von sich gab, ließen sie innehalten.
    Er weint. Er weint wie ein kleines Kind.
    Noch während Deb überlegte, was sie als Nächstes tun sollte, stieß Calvin einen Urschrei aus und warf sich auf sie. Beide krachten gegen die Brüstung, fielen darüber und stürzten dreieinhalb Meter in die Tiefe.

Florence hatte ihr ganzes Leben lang Kampfsport betrieben, um ihren Körper besser kennenzulernen, ihre Umgebung besser wahrzunehmen und ihre Spiritualität zu fördern. Auf dem langen Weg zur Erleuchtung hatte sie nebenbei auch das Kämpfen gelernt.
    Die zwei Kopfschüsse hatten das Monster namens Warren mit seinem riesigen Schädel und den Elefantenbeinen nicht einmal aufgehalten. Florence besaß allerdings noch ein Messer. Geschmeidig und elegant bewegte sie sich auf den klobigen Riesen zu, senkte die linke Schulter, purzelte über den Boden in seine Richtung und rammte ihm die Klinge vom Messer des Sheriffs tief in den inneren

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