Das Hundehotel
nachdenke, komme ich zu dem Schluß, daß ich die Geschichte auf dem Flug von Holland im Magazin der Luftfahrtgesellschaft gelesen habe. Sie lenken einen oft mit den verrücktesten Sachen von den berühmten losen Tragflächen oder den lauernden Terroristen ab. Aber das wirkliche Leben ist nicht viel anders. Ich kannte zum Beispiel ein Mädchen, das Mistletoe hieß und auf Kassenkosten einen größeren Busen und eine kleinere Nase haben wollte. Der Schönheitschirurg hatte jedoch so viel um die Ohren, daß er ihr Formular nicht richtig las und die Teile verwechselte. Aber sie kommt jetzt ganz gut mit komischen Rollen in Fernsehserien zurecht.
«Geschäftlich?» echote ich. «Natürlich ist es geschäftlich, für beide Seiten!» Und fügte hinzu: «Wollen wir wetten?» Ich vermasselte mir die Sache immer mehr.
«Nun gut, ich könnte ihm etwas ausrichten, oder möchten Sie hereinkommen und es mit mir besprechen?» Ich konnte nicht entscheiden, ob es drohend oder nur interessiert klang. Oder aber gelangweilt. Tierarztfrauen haben oft Langeweile und nicht einmal Freundinnen. Wer will schon Tee trinken, wenn unten ein Siamese plärrt? Petits Fours üben keinen großen Reiz aus, wenn jemand eine Flasche mit einer Tinktur für «Pferde» neben dem Schaubild des Schweineinneren auf dem Sofatisch stehengelassen hat.
Im Haus war es überraschend still. Kein Plärren oder Jaulen. Eine weiße Perserkatze glitt lautlos über das Treppengeländer und verschwand. Zwei makellos gepflegte Lhasa Apsos mit dunklen Augen und orientalisch undurchdringlichem Gesichtsausdruck lagen zusammengerollt auf einem Korbsessel und genossen die Sonne, die durch einen verglasten Anbau, wo früher vielleicht eine Küche gewesen war, ins Zimmer fiel. Ein Stereogerät spielte Musik. Duft von Jasmin. Die Tür zu einem kleinen Büro stand offen, und es machte trotz des üblichen geschäftigen Drumherums ebenfalls einen ordentlichen Eindruck. Man sah einen Schreibtisch mit ein paar sauber zusammengeklammerten Schriftstücken, aber das war nur psychologisch. In der Ecke stand natürlich ein Rollsekretär. Jeder Tierarzt, der seine Liquidation wert ist, beweist das sogleich, indem er einen Rollsekretär kauft und eine Flasche Ercol daraufstellt. Dann kann er die Füße beruhigt auf Band 1-5 legen und Penthouse lesen.
Wir saßen in dem sonnigen Anbau, wo ein Tablett mit Kaffee stand, als hätte sie jemanden erwartet. Ihre Tasse war voll, und sie schenkte mir aus einer hübschen grauen Kanne ein. Sie sagte, sie stelle immer eine Extratasse bereit, aber sie verschwieg, für wen sie bereitstand. Sie zeigte auf einen Teller mit Keksen aus dem Supermarkt. Wenigstens kann sie nicht backen, dachte ich froh und erleichtert, einen Sprung im Lack gefunden zu haben. Ich hatte den Nuts-Riegel entzweigebrochen, bot ihr ein Stück an und versuchte, eine Atmosphäre von Ehefrauen unter sich herzustellen, indem ich gleichzeitig herzhaft vom anderen Stück abbiß (womit ich auch demonstrierte, daß ich sie nicht vergiften wollte, um an den Drogenschrank ranzukommen). Wir hätten sofort Freundinnen sein können, und ich hätte mir ihren Beistand sichern können, um Dr. Hebgraben für mich einzunehmen; denn ein Tierarzt in der Familie ist für jeden wichtig, der mit Hunden zu tun hat. Aber in diesem Augenblick suchte sich ein kleiner Nußsplitter meinen verwundbaren Zahn aus. Den mit dem Loch. Zuzubeißen war plötzlich eine unaussprechliche Qual, die mir die Tränen in die Augen trieb. Ich saß mit offenem Mund und triefenden Augen da, wie ein Spaniel.
«Leider habe ich nicht viel Zeit», sagte sie. Hastig trank ich ein bißchen Kaffee und bemühte mich zu verhindern, daß er mir das Kinn hinunterlief, während ich auf den Nußsplitter zielte. Ich konnte schließlich nicht laut gurgeln. Ich schätzte, auch meine Zeit wäre begrenzt, wenn ich die Nuß nicht aus dem Zahn bekäme. Ob Bluthunde wohl Löcher in den Zähnen haben? Es würde ihren flehenden Blick und den Geifer erklären. Ich fragte mich, was sie so dringend zu tun haben mochte. Vielleicht hatte sie einen Kuchen im Ofen oder eine Schwiegermutter im Bad. Tierarztfrauen haben selten ungeduldige Liebhaber unter der Decke, weil Liebhaber beim Geruch von Äther und Strahlfäule garantiert Reißaus nehmen. Er setzt sich nämlich nicht nur im Bettzeug, sondern auch in Oberhemden fest. Ich hörte mal von einem, der sagte, er habe mehr Angst vor Tollwut als vor einem Baby.
«Ich werde Sie nicht lange
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