Das juengste Gericht
studiogebräunten Körper, den mehrere goldene Ketten zierten. Die Hemdsärmel hatte er hochgerollt. Neben der Armbanduhr präsentierte er ein dickes Goldarmband von Cartier. Seine blondgefärbten Dauerwellen täuschten nicht darüber hinweg, dass er die vierzig überschritten hatte.
Kellermann kam ihm mit geöffnetem Hotelschirm entgegen und streckte seinen Arm weit nach oben, um zu verhindern, dass Wegmann sich bücken musste. Auf dem Weg zum Eingang sagte er:
»Herr Krawinckel hat sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen und gebeten, nicht gestört zu werden. Er empfängt, wie gesagt, in Kürze geschäftlichen Besuch. Die gnädige Frau sitzt im Salon und erwartet Sie.«
»Schon gut, Herr Kellermann. Mir ist bekannt, dass mein Schwager nach dem Lunch und der anstrengenden Unterhaltung der Gäste seinen täglichen Schönheitsschlaf braucht. Ich wollte ohnehin nur meine Schwester sprechen.«
Kellermann klappte den Schirm zu und wies auf die in weißem Marmor gehaltene halbrunde Treppe. »Wenn Sie bitte dort hinauf…«
»Lassen Sie nur gut sein. Ich kenne mich hier aus, Herr Kellermann. Sie brauchen sich nicht zu bemühen.«
Wegmann nahm jeweils zwei Stufen auf einmal und erreichte durch eine Glastür am Ende der Treppe den Salon. Hinter der Tür blieb er stehen und betrachtete kopfschüttelnd den überladenen Raum mit seinen barocken Möbeln, schweren Teppichen und die wie in einem Antikladen aneinandergereihten Bilder und Skulpturen. Ein Meer von Blumen verteilte sich auf Bodenvasen und diente zur Dekoration von mehreren gerahmten Fotos einer Blondine in Modepose.
»Wie in einem Plüschpuff«, murmelte er vor sich hin.
Mit dem Rücken zu ihm saß in einem der Sessel Ellen Krawinckel und blätterte in einer Modezeitschrift. Als sie die Stimme von Wegmann hörte, fuhr sie mit einem spitzen Schrei herum und sprang auf. Sie zog die Träger ihres knallroten Tops hoch zur Schulter, das nur unzureichend ihren starken Busen verdeckte, und rannte auf ihn zu. Auf Zehenspitzen fiel sie ihm um den Hals und gab ihm auf jede Wange zwei Küsschen.
Wegmann hob sie hoch wie einen Wattebausch, drehte sich mit ihr im Kreis und setzte sie wieder ab. »Schade, dass du die Modelkarriere eingeschlagen hast. Auf den Titel der Vogue hast du es trotz deines weitherzigen Umgangs mit allen Fotografen und Modezaren nie geschafft. Wir hätten ein tolles Eiskunstlaufpaar abgeben. Durch deine ständigen Besuche in den Fitnessstudios fühlt man an dir nur Haut, Knochen und jede Menge Muskeln. So durchtrainiert, wie du bist, und so wenig, wie du wiegst, wären wir mit unseren Hebefiguren unschlagbar gewesen.«
Ellen Krawinckel überhörte die Spitzen, zog ihn zur Sitzgruppe und lächelte. »Setz dich. Danke, dass du gekommen bist, Brüderchen. Die tollen Fotos von mir, die hier überall im Haus herumstehen, hat alle mein wunderbarer Mann aufgenommen. Es ist sein leidenschaftliches Hobby.« Sie winkte ab. »Lassen wir das. Was machen die Geschäfte?«
»Die Boxschule drüben in Fechenheim entwickelt sich. Ich habe Supertypen engagiert, die für mich die Arbeit machen. Trotzdem muss Phillip mir noch ein paar Riesen zuschieben, damit der Laden läuft. Außerdem habe ich Ärger mit der Steuerfahndung – wegen meines längst aufgelösten Beratungsgeschäfts. Dem Finanzheini, der mich bis aufs Blut gereizt und provoziert hat, habe ich dummerweise ein bisschen die Kauleiste gestreichelt. Diese Idioten von der Justiz haben mir einen Strafbefehl über zehntausend Euro wegen Körperverletzung geschickt. Obwohl ich nichts verdiene, haben die einfach mein Einkommen geschätzt.«
»Mit Phillip redest du heute besser nicht über Geld. Das mache ich für dich. Außerdem ist Phillip heute mit dem Thema Geld schon genug beschäftigt. Beuchert will ihn nachher besuchen. Der kommt bestimmt nicht, um sich von Phillip wegen des Todes seiner kleinen Adoptivtochter trösten zu lassen. Was glaubst du, was der von ihm will? Natürlich Kohle. Gut, Phillip hat genug Geld. Trotzdem verträgt er entsprechende Bitten nur in homöopathischen Dosen.«
Wegmann musterte sie mit durchdringendem Blick. »Okay, mach du das. Es muss nur schnell gehen. Ich bin nicht mehr flüssig. Wie du an dem Mädchen siehst, von dem du eben erzählt hast, kann plötzlich alles vorbei sein. Dein Mann ist doch klug und weiß um die Wechselfälle des Lebens. Hast du eigentlich noch Kontakt zu unserem Vater?«
»Nein, ich sehe ihn nie. Phillip hat ihm eine auskömmliche Rente ausgesetzt.
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