Das kostbare Opfer
ich. »Ich dachte, ich sei der Gast mit
den untadeligen Manieren, aber wenn ich mich getäuscht haben sollte, und mein
Schienbein scheint das zu bestätigen, entschuldige ich mich.«
Ich sah, wie sie sich fest auf
die Unterlippe biß und gegen ihre Wut ankämpfte. Ich beugte mich vor und nahm
mein Glas, wofür ich zwei gute Gründe hatte. Der eine war, daß sie jetzt nicht
mehr damit nach mir werfen konnte, und der andere, weil ich eine Stärkung
brauchte.
Als ich das Glas ausgetrunken
hatte, war sie etwas ruhiger geworden, jedenfalls schien es so. »Diese
Bemerkung über den Gast mit untadeligen Manieren«, sagte sie schroff, »das
sollte wohl ein Witz sein?«
»Ich habe es halt einmal
versucht«, sagte ich, »und dabei Schiffbruch erlitten. Sie haben offensichtlich
schon getrunken, bevor ich ankam, und ich dachte mir, der Rest sei dann nur
noch eine Routinesache.«
»Wenn Sie sich verständlich
machen wollen, Leutnant, dann müssen Sie sich aber etwas mehr anstrengen«,
sagte sie. »Was ist Routinesache?«
»Der leidenschaftliche Griff,
die Umklammerung, die Erforschung und...«, erklärte ich. »Ich weiß, daß Cole
dadurch in Schwierigkeiten geriet, aber er war eben unglücklich und, ich bin
noch nicht einmal verheiratet.«
Sie nahm eine Zigarette aus der
Packung, die auf der Couch lag, und zündete sie bedächtig an. »Was wollen Sie
jetzt damit beweisen?«
»Vielleicht gar nichts«, sagte
ich. »Cole muß offensichtlich etwas gehabt haben, was ich nicht habe.«
»Das war nicht schwer für ihn«,
sagte sie. »Angesichts dessen, was gestern nacht geschah, dachten Sie wohl, daß
ich für jeden zu haben bin, der zufällig vorbeikommt? Und Sie wollten als einer
der ersten diesen Vorteil wahrnehmen! Schwer zu entscheiden, was mieser ist,
Sie oder die Vorstellung, die Sie sich von mir machen!«
Ich schüttelte entschieden den
Kopf. »Sie liegen völlig falsch, Meine Vorstellung von Ihnen war völlig anders.
Ich wollte mich nur vergewissern, daß ich von Anfang an recht hatte, und diese
Gewißheit haben Sie mir gegeben.«
»Machen Sie, daß Sie
rauskommen!« sagte sie.
»Noch nicht«, entgegnete ich,
»Ich habe noch einige Fragen.«
»Ich sagte, raus!« schrie sie.
»Gehen Sie, oder ich werde...«
»Die Polizei anrufen?« fragte
ich. »Meine Dame. Wir erfüllen Ihren Wunsch. Ich bin schon hier.«
Sie biß sich erneut auf ihre
Unterlippe. »Also gut! Was wollen Sie wissen?«
»Waren Sie gestern nacht mit
Cole im Schlafzimmer, als Mrs. Cole klingelte?«
»Ja«, sagte sie mürrisch. »Wie
oft muß ich das denn noch erzählen?«
»Nur noch einmal — für mich«,
sagte ich. »Sie gingen durch dieses Zimmer hier und öffneten die Tür, Mrs. Cole
zwängte sich an Ihnen vorbei in die Wohnung und ging direkt ins Schlafzimmer?«
»Ja.«
»Was geschah dann?«
Unvermittelt wandte sich Eve
Farnham ab und ging zum Fenster hinüber, wo sie stehenblieb und auf die Straße
hinabstarrte. »Sie sah ihn und blieb stehen. Er begann zu fluchen, da öffnete
sie ihre Handtasche, zog eine Pistole heraus und erschoß ihn.« Ihre Stimme
bebte leicht. »Es geschah so schnell! Ich ergriff die nächste Waffe, die ich finden
konnte — einen Regenschirm im Wandschrank — und schlug ihn ihr über den Kopf.
Dann...«
»Den Rest kenne ich«, sagte
ich. »Danke.«
Sie drehte sich um und kam
langsam zu mir zurück. »Gehen Sie jetzt?«
»Nur noch eines«, sagte ich.
»Würden Sie mir bei einem kleinen Experiment behilflich sein. Es wird nur ein
paar Minuten dauern.«
»Wenn Sie mir versprechen, daß
es wirklich nicht lange dauert«, knirschte sie.
»Ich verspreche es Ihnen«,
sagte ich. »Können wir ins Schlafzimmer gehen?«
»Wozu?«
»Der Jungfrauenverein würde
nicht die geringsten Einwendungen haben. Es ist nur ein Experiment.«
Wir gingen ins Schlafzimmer.
Von der Tür aus gesehen, befand sich das Bett in der gegenüberliegenden Ecke.
Ich ging hinüber und legte mich darauf. Dann schaute ich sie an, während sie in
der Tür stand.
»Warum gehen Sie nicht nach
Hause, wenn Sie müde sind, Leutnant?« fragte sie.
»Das gehört alles zum
Experiment«, sagte ich. »Ich möchte die Szene deutlich vor Augen haben.«
Ich zog den 38er aus der
Halfter, vergewisserte mich, daß die Waffe gesichert war, und warf ihn ihr zu.
»Fangen Sie!« sagte ich.
Sie fing den Revolver
ungeschickt auf und betrachtete ihn mit einem widerwilligen Ausdruck. »Was soll
ich denn damit?« fragte sie kühl.
»Was ganz Neues«, sagte ich.
»Sie
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