Das Labyrinth
Moskauern. Es war Hauptverkehrszeit, in der die Züge dicht aufeinander folgten. Die Menschen blieben im Eingang stehen, musterten die Wolken, knöpften ihre Regenmäntel zu und schickten sich an, nach Hause zu eilen. Andere verweilten, um Rosen, Eiskrem und Piroggen zu kaufen. Die Szene wirkte surrealistisch, weil sie so normal war. Arkadi fragte sich, ob der Staatsstreich womöglich in einer anderen Stadt stattfand.
Hinter dem Bahnhof waren Schuppen errichtet worden, in denen Kooperativen ihre Waren anboten. Er stellte sich vor einem Stand an, an dem es Gauloises, Rasierklingen, Pepsi und Dosen mit Ananas gab, und kaufte eine Flasche Mineralwasser sowie eine große, lavendelfarbene Spraydose, ein Deodorant mit dem Namen »Romantik«. Anschließend ging er in einen Trödelladen, der Uhren ohne Zeiger und Gabeln ohne Zinken verkaufte, und erstand zwei an Drahtschlaufen befestigte Schlüsselbunde. Er warf die Schlüssel fort und behielt die Drähte, die er mit dem Mineralwasser und dem Deodorant in die Segeltuchtasche stopfte.
Wieder im Wagen, kehrte Arkadi auf die Hauptverkehrsstraße zurück und folgte ihr, bis er das Motorrad vor dem Dynamo-Stadion eingeholt hatte. Der Verkehr war dichter geworden. Der Sadowoje-Ring wurde von einer Reihe gepanzerter Mannschaftswagen blockiert. Arkadi bog links ab und fuhr über eine Parallelstraße, um sich in der Fadajewa-Straße wieder einzufädeln. Erst roch er, dann sah er die schwarzen Auspuffschwaden der Panzer, die neben der Westmauer des Kreml auf dem ManegePlatz mit laufenden Motoren Stellung bezogen hatten. Als er die Twerskaja überquerte, warf er einen Blick auf den Roten Platz, der von Miliztruppen besetzt war.
Mit Stofftieren beladene Kunden strömten aus dem Kaufhaus »Kinderwelt«. Auf dem Bürgersteig boten Frauen Strümpfe und gebrauchte Schuhe zum Verkauf an. Ein Staatsstreich? Vielleicht in Burma, im dunkelsten Afrika, auf dem Mond - aber nicht hier. Die meisten Menschen waren zu erschöpft. Selbst wenn geschossen werden sollte, würden sie auch weiterhin anstehen. Sie waren wie Schlafwandler, und jetzt, bei Sonnenuntergang, wirkte Moskau wie der Mittelpunkt allen Schlafs.
Die Lubjanka auf der anderen Seite des Platzes schien ebenfalls zu schlafen. Doch hinter der Häuserreihe setzte sich eine Reihe von Lastwagen in Bewegung.
Arkadi fuhr auf seinen Hof, parkte den Schiguli zwischen den Wodkakisten neben der Kirche und öffnete das Tor zu einem schmalen Weg, der zu einem über dem Kanal gelegenen Vorsprung führte. Ritas Tasche in der Hand, betrat er den Hintereingang eines angrenzenden Wohnhauses und stieg die Treppe bis zum vierten Stockwerk hoch. Er blickte hinunter auf den Hof und das blaue Motorrad, das einen Häuserblock entfernt hinter einem Lieferwagen stand.
Er hatte Mitleid mit Minin. An jedem anderen Tag hätte er Wagen und Funkgeräte anfordern können. Was vor allem hatte ihn ausgezeichnet, seinen Assistenten? Ungeduld und der Wunsch, immer der Erste sein zu wollen. Minin stieg vom Motorrad, das Gesicht von Zweifeln zerfurcht. Der Fahrer folgte ihm und nahm seinen Helm ab, wobei sein langes, schwarzes Haar zum Vorschein kam. Es war Kim.
Arkadi verließ das Haus durch die Hintertür und überquerte eine von Unkraut überwachsene Fläche, die in einen schmalen Pfad mündete, über den er zwischen Werkstätten hindurch auf die Straße gelangte, in der das Motorrad stand. Vor seinem Haus stand Minin und drückte die Kodetasten neben der Tür.
Die Suzuki lehnte auf dem Seitenständer, das Vorderrad wies schräg zur Seite. Die blaue Plastikverkleidung, die die Maschine vom Scheinwerfer bis zur Bremsleuchte umhüllte, erschwerte den Zugang zu den Auspuffrohren. Arkadi legte sich flach auf den Boden und spürte, wie die lange Wunde auf seinem Rücken spannte. Die Auspuffrohre der Suzuki mündeten in ein einziges Endrohr. Als er die Wasserflasche schüttelte und die Rohre damit bespritzte, zischte das heiße Metall. Obwohl er die ganze Flasche verbrauchte, verbrannte er sich immer noch die Finger, als er schließlich zwischen die Rohre langte, die Drähte um sie zog und die Spraydose daran befestigte. Dennoch bemühte er sich, die Drähte gut festzuzurren. Jaak wäre stolz auf ihn gewesen.
Als Arkadi sich wieder aufrichtete, waren Minin und Kim verschwunden. Dann sah er, wie die Gardine an seinem Fenster zurückgeschoben wurde. Er wischte seine Hände an der Jacke ab, schulterte die Segeltuchtasche und folgte den beiden ins Haus.
Minin hatte sein
Weitere Kostenlose Bücher