Das Labyrinth
überprüfen würde, indem er sofort die eingetragene Nummer des Konsulats wählte, um nach Gennadi Federow zu fragen, der mittlerweile mit Blumen am Flughafen stehen mußte. Er hoffte, daß der Bankier nicht so argwöhnisch sein würde, mit jemand anderem sprechen zu wollen.
Als er aus der Telefonzelle trat, hatte er das Gefühl, daß irgend etwas vorging - ein Fuß, der hinter einer Tür verschwand, oder ein Passant, der plötzlich vor einem Schaufenster stehenblieb. Er dachte daran, Zuflucht im Kaufhaus zu suchen, als er sein Spiegelbild in der Scheibe erblickte. War er das? Diese bleiche Erscheinung mit dem zerknitterten Jackett? In Moskau wäre er eine Vogelscheuche unter vielen gewesen, hier in München, unter all den wohlgenährten Wurstessern, fiel er gleich auf. Er konnte sich genausowenig unter den Passanten und Touristen auf dem Marienplatz verbergen, wie ein Skelett sich dadurch hätte unsichtbar machen können, daß es einen Hut aufsetzte.
Arkadi wandte sich dem Parkhaus zu und ging eine Auffahrt unter einem gelbschwarzen Schild hoch, auf dem »Ausgang« stand. Ein BMW kam die Rampe heruntergerast, kreischend auf den Stoßdämpfern federnd, während er sich gegen die Wand drückte. Der stiernackige Fahrer drehte den Kopf um und rief: »Kein Eingang! Hier geht’s nicht rein!«
Auf der ersten Ebene fuhren Wagen auf der Suche nach einem leeren Platz langsam zwischen den Betonpfeilern hindurch. Arkadi hoffte, einen Ausgang zur gegenüberliegenden Straße zu finden, aber alle Schilder wiesen auf einen Lift mit Stahltüren hin, vor dem eine Reihe gutgekleideter Deutscher stand. Er fand eine Feuertreppe, die zur nächsten Ebene führte, wo er die gleiche Szene vorfand: Wagen mit röhrenden Benzin- oder bedächtig tickenden Dieselmotoren umkreisten eine ähnliche Ansammlung von Menschen vor dem Aufzug.
Auf der nächsten Etage wurden die Wagen weniger. Arkadi sah eine Anzahl leerer Plätze und eine rote Tür am Ende des Parkdecks. Er war schon halb bei ihr, als ein Mercedes die Rampe herauffuhr und zwischen den Betonpfeilern hindurchrollte. Es war ein älteres Modell, das weiße Chassis rissig wie altes Elfenbein, mit dem röhrenden Klang eines defekten Auspufftopfes. Der Wagen blieb in der Düsternis unter einer fehlenden Glühbirne stehen. Arkadi legte die Hand auf die Hosentasche wie ein Mann, der seine Schlüssel sucht. Sobald er den letzten Wagen erreicht hatte, begann er zu laufen. Er hätte besser Deutsch lernen müssen, dachte er. Das Schild an der roten Tür trug die Aufschrift: »Kein Zutritt«. Im Türpfosten befand sich ein eingebautes Digitalschloß, an dem er herumzufummeln begann, bis er es aufgab und sich wieder nach dem Mercedes umsah.
Der Wagen war nicht mehr zu sehen, aber auch nicht verschwunden. Die Wände hallten wider vom Klang des rachitischen Motors, der immer noch lauter wurde. Er konnte das Klopfen der Zylinder hören und das Scheppern des Auspuffrohres, das sich aus seiner Halterung gelöst zu haben schien. Der Wagen mußte hinter den Aufzug gefahren sein, dachte Arkadi, oder in eine der leeren Parkbuchten auf der anderen Seite. Die Buchten waren nicht beleuchtet, ein gutes Versteck.
Der Weg zurück zur Feuertreppe führte über eine freie Fläche, auf der ihm keine Pfeiler oder geparkten Wagen Schutz bieten würden. Aber es gab noch eine andere Möglichkeit hinauszukommen: die mit dem Warnschild »Kein Eingang« versehene Zufahrtsrampe hinunter. Er schlüpfte zwischen zwei Wagen durch und stand am Kopf der Rampe, bevor er seinen Fehler erkannte. Der Fahrer des weißen Mercedes war rückwärts in die Auffahrt gefahren und hatte ihn von da aus beobachtet.
Arkadi lief vor dem Wagen auf die Treppe zu. Er wußte nicht, was schlimmer klang, das Keuchen seiner Lunge oder das Rattern des Motors hinter ihm, obwohl der Fahrer ihm nur dicht auf den Fersen blieb und nicht zu versuchen schien, ihn zu überfahren. Arkadi sprang in die freie Parkbucht hinter dem ersten Wagen. Der Mercedes blieb stehen, blockierte die Bucht, und der Fahrer stieg aus.
Jetzt, wo beide zu Fuß waren, standen die Chancen besser für Arkadi. An der Wand hing ein Feuerlöscher. Arkadi hob ihn vom Haken und schleuderte ihn in Richtung des Mannes, der ungeschickt hochsprang, aber dennoch so getroffen wurde, daß er zu Fall kam. Während er versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, packte Arkadi den Schlauch des Feuerlöschers, wickelte ihn um den Hals des Mannes und zerrte ihn aus der Parkbucht ins Licht.
Selbst
Weitere Kostenlose Bücher