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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Wassergläser und Aschenbecher. Auf der Fensterbank zwei elektrische Ventilatoren, zwei Stereolautsprecher und ein zweiter Computerbildschirm. Auf dem Aktenschrank ein tragbares Radio und ein offensichtlich unbenutztes ComputerKeyboard. Auf dem Tonbandgerät lagen Magnetbandspulen und lose Magnetbänder. Und überall - auf dem Schreibtisch, auf der Fensterbank, dem Aktenschrank und dem Sessel - stapelten sich Zeitungen. An der Spiralschnur eines Wandtelefons baumelte ein Hörer. Arkadi erkannte auf den ersten Blick, daß außer der Schreibmaschine und dem Telefon nichts funktionierte.
    Er stützte sich auf den Schreibtisch, um die Bilder an der Wand zu betrachten.
    »Ein großer Hund.« Dasselbe dunkle und zottige Tier, das er am Armaturenbrett des Mercedes gesehen hatte. Laika, wie sie ausgestreckt auf Stas’ Schoß lag. »Was für eine Rasse?«
    »Rottweiler und Schäferhund. Die übliche deutsche Mischung. Machen Sie es sich bequem.« Stas befreite den Sessel von den Zeitungen und folgte Arkadis Blick durch den Raum.
    »Man hat uns all diesen elektronischen Kram samt einem Haufen unnützer Software gegeben. Ich hab einfach die Stecker rausgezogen, laß aber den ganzen Krempel hier stehen, weil es den Boß glücklich macht.«
    »Wo arbeitet Irina?«
    Stas schloß die Tür. »Weiter den Flur runter. Die russische Abteilung von Radio Liberty ist die größte. Es gibt auch Ressorts für die Ukrainer, Belorussen, Balten, Armenier und Türken. Wir senden in verschiedenen Sprachen für die verschiedenen Republiken. Und dann ist da noch RFE.«
    »RFE?«
    Stas setzte sich auf den Stuhl am Schreibtisch. »Radio Freies Europa. Für Hörer in Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn und Rumänien. Liberty und RFE beschäftigen Hunderte von Leuten in München. Die Stimme von Liberty für unsere russischen Hörer ist Irina.«
    Er wurde von einem Klopfen an der Tür unterbrochen. Eine Frau mit kurzgeschnittenen weißen Haaren, weißen Augenbrauen und einer schwarzen Samtschleife watschelte herein, in der Hand einen Stoß von engbeschriebenen Blättern. Ihr Körper war fett, und sie musterte Arkadi mit dem trägen Blick einer alternden Kokette. »Zigarette?« Ihre Stimme war noch tiefer als die Arkadis.
    Aus einer mit Zigarettenstangen vollgestopften Schublade zog Stas eine frische Packung. »Für Sie immer, Ludmilla.«
    Stas gab ihr Feuer, und Ludmilla beugte sich vor und schloß die Augen. Als sie sie wieder öffnete, waren sie auf Arkadi gerichtet. »Ein Besucher aus Moskau?« fragte sie.
    Stas sagte: »Nein, der Erzbischof von Canterbury.«
    »Der CS weiß gern, wer den Sender betritt und verläßt.«
    »Dann sollte man ihm den Gefallen tun«, sagte Stas.
    Ludmilla warf Arkadi einen letzten forschenden Blick zu und ging hinaus, mit ihrem Rauch Schwaden von Argwohn hinter sich zurücklassend.
    Stas belohnte sich und Arkadi mit einer Zigarette. »Das war unser Sicherheitssystem. Wir verfügen über Kameras und schußsicheres Glas, aber das alles ist nichts im Vergleich zu Ludmilla. Der CS ist der Chef der Sicherheit.« Er sah auf seine Uhr. »Bei zwei Schritten in der Sekunde und dreißig Zentimetern pro Schritt wird Ludmilla sein Büro in genau zwei Minuten erreichen.«
    »Sie haben Sicherheitsprobleme?« fragte Arkadi.
    »Der KGB hat vor einigen Jahren die tschechische Abteilung hochgehen lassen. Einige unserer Mitarbeiter sind durch Gift und Stromschläge zur Strecke gebracht worden. Sie könnten sagen, wir haben Angst.«
    »Aber sie weiß nicht, wer ich bin.«
    »Zweifellos hat sie sich am Empfang bereits nach Ihnen erkundigt. Ludmilla weiß, wer Sie sind. Sie weiß alles und versteht nichts.«
    »Ich bringe Sie in eine schwierige Lage und störe Sie auch noch bei der Arbeit«, sagte Arkadi.
    Stas sortierte die Blätter. »Das hier? Das sind die täglichen Berichte der Nachrichtendienste, Zeitungsauszüge und Berichte unserer Mitarbeiter. Und ich werde auch noch mit unseren Korrespondenten in Moskau und Leningrad reden. Aus dieser Flut von Informationen destilliere ich etwa eine Minute Wahrheit.«
    »Die Nachrichtensendung ist zehn Minuten lang.«
    »Den Rest erfinde ich«, sagte Stas, um dann schnell hinzuzufügen: »Nur ein Scherz. Sagen wir, ich polstere ihn aus. Sagen wir, ich möchte Irina nicht in die Lage bringen, den Russen mitteilen zu müssen, daß ihr Land ein verwesender Leichnam ist, ein Lazarus, der nicht mehr zum Leben erweckt werden kann, und daß sie sich lieber hinlegen sollten, um nie wieder

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