Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Lächeln der toten Augen

Titel: Das Lächeln der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
Vom Netzwerk:
Doktor Dremel. »Ein sehr interessanter Fall, las sich fast wie ein Krimi. Die Angelegenheit ist allerdings schon lange her. Diesmal werden wir uns mit den Einträgen daraus begnügen müssen. Es gibt keinen Kollegen mehr, der ihn noch persönlich kannte.«
    Trevisan war es recht, dass Dremel rasch zum Punkt kam.
    »Wie ich erfuhr, war Professor Gehlers über ein Jahr bei uns in der Klinik«, berichtete Dremel. »Vom 26. Mai 1978 bis zum 7. September 1979. Es war ein typischer Fall von Fanatismus, der sich in einer schweren Psychose äußerte. Der Patient war manchmal vollkommen von Sinnen.«
    »Worin äußerte sich seine psychische Störung genau?«, fragte Trevisan.
    Doktor Dremel blätterte in den Akten. »Den einhelligen Diagnosen und Beurteilungen meiner Vorgänger nach war der Realitätsverlust das größte Problem. Er lebte zeitweise in seiner eigenen Welt, war dann aggressiv und verletzend anderen gegenüber. Ich meine, wir müssen zwanzig Jahre zurückdenken. Damals waren wir in der Forschung noch nicht so weit. Aber die beschriebenen Symptome sind eindeutig.«
    »Das heißt, er war auch gefährlich für andere?«, fragte Trevisan.
    »Idololatrie und Realitätsverlust implizieren das nicht automatisch. Es liegt am Typus und am Ego des Patienten. Die Krankheit war bereits weit fortgeschritten, die Heilungschancen gering. Er benötigte eine entsprechende Medikamentierung.«
    »Was war der Auslöser?«, warf Dietmar Petermann ein.
    Doktor Dremel lächelte. »Es hatte mit seinem Beruf zu tun. Er konnte die Vergangenheit nicht mehr von der Gegenwart unterscheiden. Er war Historiker und offenbar sehr engagiert, schon fanatisch, würde ich sagen. Er sprach ständig von einer Mission, die er zu erfüllen hatte. Einem Auftrag, den er von einem gewissen Garth erhalten hatte. Doch niemand kannte diesen absonderlichen Mann, von dem er ständig sprach. Außerdem sei er der letzte Überlebende einer großen Katastrophe. Er trage den Stern des Midir auf seiner Stirn. Was immer das auch sein soll. Nur er könne die Gefahren abwenden, die seinem Volk drohen, ansonsten werde der Kummerstein ihn selbst und seine Getreuen vernichten. Das geht aus den Protokollen der behandelnden Kollegen hervor.«
    »Das klingt vollkommen durchgeknallt«, bemerkte Trevisan.
    »Meine Kollegen haben es sogar mit einer Hypnosetherapie versucht. Dabei hat er allerhand wirres Zeug von sich gegeben. Es wurde alles auf Band aufgenommen und protokolliert.«
    »Sprach er von einem Buch, von irgendwelchen Schriften?«
    »Nachdem Ihrem Anruf habe ich die Protokolle überflogen. In den Aufzeichnungen erwähnte er tatsächlich alte Schriften, die er wiedergefunden haben will.«
    »Gibt es diese Tonbandprotokolle noch?«, schob Dietmar ein.
    Doktor Dremel schüttelte den Kopf. »Wir hatten vor einigen Jahren einen Brand im Archiv.«
    »Wodurch werden solche Wahnvorstellungen ausgelöst?«, fragte Trevisan.
    Doktor Dremel richtete sich auf. »Ich denke, er hat sich tagtäglich mit der gleichen Sache befasst, und schließlich hat sie Besitz von ihm ergriffen. Er war jedenfalls felsenfest davon überzeugt, dass er die Menschheit erretten muss. Er hielt sich für einen irgendeinen Auserwählten aus der grauen Vorzeit.«
    Trevisan erinnerte sich an Professor Dahmanns Worte. Im Grunde genommen hatte der Ähnliches bereits angedeutet. »Können Sie mir sagen, weshalb er entlassen wurde?«
    »Er war zunächst nur zur Beobachtung hier. Anfänglich war es ganz schlimm mit ihm. Er saß apathisch in der Ecke und schaute mit trüben Augen umher. Erst mit der Zeit taute er auf. Er begann zu malen. Zu Anfang malte er meist abstrakte Kreise in düsteren Farben. Später hellten sich die Farben auf, wurden bunt, und manchmal war sogar ein Reh oder ein Vogel zu erkennen. Aber ansonsten erzielten wir nur wenige Fortschritte. Aufgrund seines Krankheitsbildes war es deshalb nicht einfach, ihn zu entlassen, doch das zuständige Amtsgericht erließ keinen Einweisungsbeschluss. Wir konnten ihn nicht hierbehalten, obwohl es unseres Erachtens notwendig gewesen wäre. Schließlich holte ihn seine Verlobte ab.«
    Trevisan runzelte die Stirn. »Ich wusste nicht, dass er verheiratet ist.«
    »Ich sagte ja auch, seine Verlobte«, erwiderte Doktor Dremel. »Ich kann nicht sagen, ob die beiden geheiratet haben. Auf alle Fälle unterschrieb sie die Entlassungserklärung …«
    »… und damit war die Klinik aus dem Schneider«, bemerkte Dietmar Petermann.
    Dremels missbilligender Blick

Weitere Kostenlose Bücher