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Das Lächeln der toten Augen

Titel: Das Lächeln der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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Schreibtisch durchsucht. Auf der grünen Schreibunterlage lagen neben einer Schere und Klebstoff allerlei Papierschnipsel, ausgeschnittene Buchstaben und die Reste der übrigen Seiten.
    »Er hat den Brief hier verfasst«, folgerte Trevisan seufzend.
    Monika Sander nickte. »Ich packe die Sachen schon mal ein.«
    »Sie können jetzt mit Frau Landers sprechen.« Der Arzt stand in der Tür und warf Trevisan einen neugierigen Blick zu. »Aber machen Sie es kurz. Die Frau ist ganz schön mitgenommen. Ich werde sie in das Krankenhaus einweisen. Ich befürchte, sie tut sich sonst etwas an, wenn sie alleine ist.«
    Trevisan nickte.
    Teresa Landers lag auf ihrem Bett und blickte mit starren Augen an die Decke. Die Nachbarin hielt ihre Hand eng umschlungen und streichelte ihr tröstend den Arm.
    »Frau Landers«, begann Trevisan mit klangloser Stimme. »Ich weiß, wie schwer es Ihnen fallen muss, meine Fragen zu beantworten. Aber es ist meine traurige Pflicht. Wir müssen wissen …«
    »Wie ist es passiert?«, unterbrach ihn die Frau.
    »Wir wissen es nicht genau«, erklärte er. »Wir fanden ihn auf einem alten Feuerschiff im Großen Hafen. Offenbar ist er von einem Mast gestürzt. Er wurde …«
    »Hat er leiden müssen?«
    Trevisan atmete tief ein. »Ich weiß es nicht.«
    Er wartete einen Augenblick, bis er die nächste Frage stellte. Er haderte mit sich. Auf der einen Seite war es wichtig, so viel wie möglich über den Toten und die näheren Umstände zu erfahren, auf der anderen Seite wusste er, dass seine Fragen die Frau quälten.
    »Wissen Sie, was Ihr Sohn gestern im Hafen wollte?«
    Er bekam keine Antwort.
    Monika Sander trat an das Bett. »Ich weiß, wie Sie sich fühlen, aber Sie können uns glauben, wir wären nicht hier, wenn es nicht wirklich wichtig wäre.«
    Die starren Gesichtzüge der Frau wurden weich und ihre Augen flackerten bittend. »Hat er sich umgebracht?«
    Trevisan stutzte. »Gab es einen Grund dafür?«
    »Ich weiß nicht, er war so anders in der letzten Zeit. Er hat sich verändert, seit …« Sie schluckte.
    »Seit?«, wiederholte Monika Sander.
    »… seit dem Tod seines Freundes.«
    »Welchen Freund, wen meinen Sie damit?«, fragte Trevisan.
    »Sven Halbermann«, sagte die Frau. »Sven hat sich umgebracht. Vergangenen Samstag. Seitdem haben Mike und ich nicht mehr miteinander geredet. Ich habe gesehen, wie er leidet. Ich habe mir fest vorgenommen, mit ihm darüber zu reden. Ich wollte es, aber er ging mir aus dem Weg. Ich spürte, dass er es nicht wollte. Und nun ist es zu spät.« Ein neuer Weinkrampf schüttelte sie.
    Trevisan zog die Stirn kraus. Sven Halbermann. Er hatte von Anfang an vermutet, dass sich hinter dem Selbstmord des Industriellensohns ein Geheimnis verbarg. Er wartete, bis sich die Frau wieder beruhigt hatte. »Wann hat Ihr Sohn denn gestern das Haus verlassen?«
    »Ich bin gestern wegen meiner Migräne schon um die Mittagszeit nach Hause gekommen und habe ein paar Tabletten genommen. Ich glaube, er ging kurz nach Mittag. Er war seit Montag nicht mehr in der Schule. Der Selbstmord hat ihn schwer mitgenommen. Dann bin ich eingeschlafen und erst wieder aufgewacht, als Sie heute früh bei mir klingelten. Ich wusste überhaupt nicht, dass er die Nacht über weg war.«
    Das erklärte natürlich, warum Frau Landers ihren Sohn nicht vermisst gemeldet hatte. Trevisan überlegte, ob er sie mit dem Erpresserbrief an Halbermann konfrontieren sollte, doch damit würde er ihren Schmerz nur noch zu vertiefen.
    »Frau Landers«, sagte er, als die Sanitäter mit dem Arzt im Schlafzimmer auftauchten. »Ich würde mich gerne noch etwas im Zimmer Ihres Sohnes umsehen. Vielleicht stoßen wir auf etwas, das uns weiterbringt. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen. Ich gebe den Wohnungsschlüssel an Ihre Nachbarin weiter. Sie kann ja hierbleiben, wenn es Sie nicht stört?«
    Teresa Landers nickte nur.
    *
    Sie hatten sich um den runden Tisch im Zimmer des Direktors versammelt: der Direktor selbst, Mikes Klassenlehrer und die schnippische Sekretärin. Mittlerweile hatte Till das anwesende Lehrerkollegium über die näheren Umstände des Todes von Mike Landers informiert. Mit betretenen Mienen hatten sie den Worten des Polizisten gelauscht.
    »Es ist furchtbar. Sie müssen wissen, dass sich erst am letzten Wochenende ein Schüler aus der gleichen Klasse das Leben genommen hat«, erklärte der Direktor. »Sven Halbermann, Sie haben bestimmt davon gehört. Soviel ich weiß, waren Mike und Sven gute

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