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Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)

Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)

Titel: Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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sagte „Buon Appetito“ .
    Frieder tauchte seine Gabel in die Tagliatelle, die aufgrund der sämigen Pilzsauce jedoch so aneinanderklebten, dass jede Drehung der Gabel ihren Umfang unweigerlich erhöhte in Richtung Heuballen. Verunsichert blickte Frieder zu Freidorfer, der ganz entspannt ohne die Unterstützung eines Löffels aß, und so nahm er ein Stück Weißbrot aus dem Bastkörbchen und setzte es als Hilfsinstrument für seine Gabel ein. Als das Brot sich mit der Sauce vollgesogen hatte, steckte Frieder es in den Mund und nahm ein weiteres Stück aus dem Korb.
    „Um in medias res zu gehen“, sagte Freidorfer, „mein Sender will mehr in Eigenproduktionen investieren. Ich soll einen Pool aufbauen aus Ideenlieferanten, Drehbuchautoren und Gagschreibern. Die Realisierung selbst übernehmen dann unabhängige Producer. Sie könnte ich mir in meinem Dreamteam vorstellen als jemand, der die Ideen abklopft in dem Sinne: Wo ist etwas Ähnliches schon einmal gelaufen? Mit welchem Erfolg? Wäre das Konzept auf uns übertragbar? Ich habe vor ein paar Wochen von Ihnen eine Analyse gelesen, die mich sehr beeindruckt hat. Es ging um … warten Sie … es liegt mir auf der Zunge …“
    „Family-Soaps in Deutschland und Europa“, sagte Frieder.
    Freidorfer richtete den ausgestreckten Zeigefinger auf Frieders Stirn, als wollte er ihm einen Blattschuss verpassen: „Ecco . “
    Kellner Antonio kam, goss Freidorfer Wein nach und fragte Frieder: „Desidera ancora del pane, Signore ? “
    Der Angesprochene schaute hilflos zu seinem Gegenüber, und Freidorfer sagte: „Si, per favore . “ Antonio nickte und nahm den Brotkorb. Dabei fiel das Licht auf seine massive goldene Uhr und schickte einen hellen Strahl in Frieders Augen. Es war kurz nach eins.
    Das Lokal füllte sich mittlerweile. Es waren ausschließlich Geschäftsleute, unter ihnen nur sehr wenige Frauen. Gelegentlich klingelte ein Handy an einem der Tische, ein Mann im dunklen Anzug stand auf, hielt sich mit der linken Hand das Ohr zu und ging auf die Terrasse, während er sprach. Aus den Lautsprechern erklangen italienische Arien.
    „Aber“, sagte Freidorfer, „ich weiß viel zu wenig von Ihnen. Sie müssen doch schon so einiges angestellt haben in Ihrem Berufsleben. Was waren denn so die entscheidenden Etappen?“
    Frieder bemerkte in diesem Moment, dass Freidorfer ganz gelbe Zähne hatte, obwohl er augenscheinlich nicht rauchte.
    „Nach dem Abitur habe ich in München BWL studiert. Nach der Zwischenprüfung bekam ich einen Semesterjob in einer Marketingfirma. Sie haben mir danach ein sehr gutes Angebot gemacht, die Firma boomte wie verrückt, und so bin ich da geblieben.“
    Freidorfer zog die Augenbrauen hoch. „Sie haben also kein Examen gemacht?“
    In diesem Moment brachte Antonio den „Seebarsch im Zucchinibett“. Er war mit Haut, Kopf und Schwanz gebraten; der Mund stand weit offen, die Augen lagen wie zwei kleine schwarze Schrotkugeln in ihren Höhlen. Und Frieder wusste wieder, warum er nur Fischfilets aß – er wollte nicht daran erinnert werden, dass seines Hungers wegen ein Lebewesen getötet wurde.
    „Mich hat das Studieren als Lebensform viel weniger interessiert als die Materie selbst. Alles stimmte einfach, der Job, die Kollegen, die Bezahlung. Ich habe meine Entscheidung als Abkürzung empfunden.“
    Freidorfer nickte, setzte das Fischmesser an und klappte in mehreren geschickten Bewegungen die Haut des Seebarsches nach hinten. Das Fleisch lag fest an den Gräten. Freidorfer schnalzte mit der Zunge.
    „Aber Sie werden mir jetzt nicht erzählen, dass Sie von Ihrem ersten Arbeitstag an bis heute Mittag um 12 Uhr 30 denselben Bürosessel gewärmt haben?“
    Frieder fühlte sich, als hätte Freidorfers Messer nicht die Haut des Fisches, sondern seine eigene abgezogen. Zu kraftlos, um sofort zu antworten, trank er einen Schluck Wein.
     
    „Mit dieser Frage musstest du doch rechnen.“ Daria wischte zum dritten Mal mit einem Lappen über die Chromteile der Espressomaschine und hielt ihn anschließend unter fließendes Wasser. Die Aufregung peitschte stets ihre Motorik an, sie konnte nicht einfach sitzen bleiben.
    Frieder sah, wie ihre Finger unter dem heißen Wasser langsam krebsrot wurden. Im Gegensatz zu ihr saß er mit hängenden Schultern wie eingefroren auf dem Stuhl.
    „Alles lief schief. Meine deplazierten Klamotten. Ein blasierter Arsch von Kellner, der absichtlich nur Italienisch mit mir redet, obwohl ich keine Silbe verstehe.

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