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Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)

Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)

Titel: Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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wollen, und Frieder wusste nicht, ob es die vollkommene Abwesenheit von Abschiedsgefühlen war oder nur die Angst, sie zu zeigen), und es gab weniger Verkehr auf der zweispurigen Strecke nach Stuttgart als bei seiner letzten Heimfahrt vor einem Jahr.
    Einige Monate später, nach der Trennung von Elfie, war Bernhard umgezogen. Eine kleine Mansardenwohnung irgendwo in der Innenstadt, die Adresse stand auf der Rückseite einer Postkarte, die Postkarte hing an der Pinnwand in der Diele, Frieder hatte sie selbst aufgespießt.
    In der Nähe des Stadtgartens, glaubte er sich vage zu erinnern, und verließ die Autobahn am Kreuz Karlsruhe-Mitte. Während er sich dem Zentrum näherte, wirkte die architektonische Gelassenheit Karlsruhes, jene Verbindung von symmetrischer Ordnung und feudalistischer Großzügigkeit, beruhigend auf ihn, veränderte seinen Puls. In Gerding lag das Gewicht eines Hauses und einer Familie auf seinen ungeübten Schultern, in Karlsruhe fühlte er sich leicht, beweglich, als wäre das Leben, das er führte, nur eine zufällige Variante aller Möglichkeiten, die ihm jederzeit offenstünden.
    Frieder bog links in die Ettlingerstraße und hielt bei einer Telefonzelle. Auf dem Bürgersteig wurde er beinahe von drei Joggerinnen angerempelt, die in den Stadtgarten liefen. Eine von ihnen hob zur Entschuldigung die Hand, ohne sich allerdings umzudrehen.
    Es klingelte mindestens zehn Mal, bevor abgehoben wurde.
    „Daria“, sagte er, „ist etwas passiert? Warum gehst du jetzt erst ran?“
    „Wir waren nebenan, bei Annemarie.“
    Frieder hörte im Hintergrund Stimmen, die seiner Tochter und die von Georg, der rief: „Na warte, jetzt kriege ich dich.“ Svenja kreischte.
    „Ich dachte, du müsstest die Übersetzung fertig machen?“
    „Morgen reicht auch noch.“
    Er erklärte den Grund seines Anrufs, und während Daria Bernhards Postkarte von der Pinnwand holte, spürte er jäh den Wunsch, ihr nahe zu sein, als müsste er sie schützen oder sie davor bewahren, etwas Falsches zu tun. Er ließ sich die Adresse wiederholen, einfach nur, um ihre Stimme zu hören. Dann hängte er ein.
    Bernhard wohnte tatsächlich in unmittelbarer Nähe des Stadtgartens. Frieder fand rasch einen Parkplatz, die Haustür stand offen.
    „Gute Kondition, Alter. Ich keuche heftiger, wenn ich oben bin.“
    Bernhard nahm seinem Bruder die Reisetasche aus der Hand und stellte sie in den Wohn-Schlafraum. Zwei mannshohe, aber kaum gefüllte Ikea-Regale befanden sich auf der linken Seite, unterhalb der Dachschräge standen fünf unausgepackte Umzugskartons. Das Fenster war in Kippstellung, im siebten Stock verdünnte sich der Straßenverkehr zu einem fernen Summen. Bernhard hatte eine Luftmatratze aufgeblasen und in die Mitte des Raumes gelegt, unter die nackte Glühbirne. „Ich mache mal Kaffee“, sagte er.
    Frieder stellte seine Reisetasche ab und blätterte in den Schallplatten, die an der Wand lehnten. Uralte Scheiben, Jimi Hendrix, eine Woodstock-Edition, Iron Butterflys In-A-Gadda-Da-Vida ; Frieder erinnerte sich an seinen heißen Neid auf den älteren Bruder, damals in der Pubertät, als zwei Jahre nicht 24 Monate bedeuteten, sondern einen uneinholbaren Vorsprung. Wenn Frieder ein Mädchen nach Hause brachte, drehte Bernhard die Musik in seinem Zimmer laut auf und steckte Minuten später unter irgendeinem Vorwand den Kopf in die Tür, ein buntes Stirnband in seinen dunkelbraunen, dichten Haaren. Wenige Minuten später fragten die Mädchen, ob man den Tee nicht im Zimmer gegenüber weitertrinken könnte.
    Frieder spürte plötzlich einen seltsamen Geruch in der Nase und ging in die Küche. Sein Bruder kniete in der Hocke und leerte eine Dose Katzenfutter in eine blaue Plastikschale. Zylindrisch geschnittene Fleischstücke schwammen in einer dicklichen braunen Soße. Die Katze, sie hatte ein braunes Fell, durchsetzt mit roten und schwarzen Streifen, streichelte mit ihrem Schwanz Bernhards Unterschenkel. Er trug eine schwarze, über den Knien abgeschnittene Jeans und ein geripptes, ärmelloses Unterhemd.
    „Ich hätte nie gedacht, dass du mal ein Haustier haben würdest.“
    Frieder setzte sich auf einen Plastikstuhl. Die Küche war klein, die Dachschräge schnappte ihr zusätzlich Raum weg und ließ nur Platz für einen Campingtisch und zwei Klappstühle.
    „Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal ein Haustier hätte haben wollen “, sagte Bernhard und nahm zwei überdimensionale Keramikkaffeetassen aus dem offenen Metallregal.

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