Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
einem Pferderennen kennengelernt.«
Bette war sofort von seinem ansprechenden exotischen Äußeren fasziniert. Sie erinnerte sich an Rolands Erzählungen über seinen alten Studienfreund. »Das stimmt«, erwiderte sie lächelnd und zögerte dann. »Was ich über Ihre Frau gehört habe, tut mir leid.«
»Danke. Aber das ist lange her. Der Krieg hat viele von uns hart getroffen. Das wissen Sie ja selbst am besten«, sagte er. »Ich habe gehört, dass Sie in einem Kriegsgefangenenlager interniert waren. Roland hat mir erzählt, wie aufopfernd Sie sich um seinen Sohn gekümmert haben.«
»Ja, das war nicht leicht. Obwohl es schon Jahre her ist, wollen die Erinnerungen daran nicht verblassen.«
Tony wandte den Blick ab und sagte bedächtig: »Ich weiß, was Sie meinen. Mir fällt es schwer, die Straße zu betreten, in der … die Bombe fiel. Es war, als wäre Mai Ling eine kostbare Porzellanvase, die einfach … in Stücke geschlagen wurde.«
Bette nickte. »Mein Freund Gilbert Mason ist auch umgekommen. Er hatte versucht, Philip und mich zu retten. Einfach entsetzlich. Ich hatte immer gedacht, ich würde Gilbert heiraten, falls er mir einen Antrag macht. Es war, als würden wir uns verstehen, ohne viel zu sagen.« Und plötzlich sprudelten Worte aus ihr heraus, die sie noch nie ausgesprochen hatte. »Ich wünschte, ich hätte ihm gesagt, wie sehr ich ihn mag.«
»Ich erinnere mich an Gilbert. Er hat ganz bestimmt gewusst, was Sie für ihn empfinden. So etwas weiß man einfach …«
Bette nickte mit Tränen in den Augen. »Kurz bevor er erschossen wurde, hat er meine Hand genommen, und in diesem Augenblick habe ich alles gespürt.«
Tony griff nach ihrer Hand und hielt sie fest, während sie gemeinsam ins Tal blickten.
»Ich fasse es nicht, dass ich das gerade gesagt habe. Das habe ich noch niemandem erzählt. Ich wollte nicht darüber nachdenken«, sagte Bette schließlich.
»Ich glaube, wir haben viel gemeinsam.«
Nach einer Weile entzog ihm Bette ihre Hand und wandte sich wieder dem Garten zu. Sie holte tief Luft, um sich zu sammeln. »Ich bemühe mich, mehr an die guten Zeiten mit Gil zu denken.«
»Ja, die unbeschwerten Tage vor dem Krieg werden wohl so schnell nicht wiederkommen«, bemerkte Tony.
»Man sagt, das vor uns liegende Jahrzehnt wird viele Veränderungen bringen«, meinte Bette, während sie durch den Garten gingen.
»Es sieht ganz danach aus. Welche Pläne haben Sie für die fünfziger Jahre?« Bei dieser Frage lächelte Tony.
Bette zuckte die Schultern. »Feste Pläne habe ich keine. In Sydney habe ich Kunst studiert und gejobbt, und dann haben mich Margaret und Roland eingeladen. Ich bin gern wieder nach Malaya gekommen. Utopia ist Rolands Ein und Alles, und er hat alle Hände voll damit zu tun, die Plantage nach der japanischen Besatzung wiederaufzubauen.«
»Ja, das kann ich mir vorstellen. Ich kenne eine Menge Pflanzer, die es mit neuen Nutzpflanzen versuchen, zum Beispiel mit Palmöl. Aber jetzt gibt es die Probleme mit den Kommunisten und die Unabhängigkeitsbestrebungen.«
»Die Kommunisten? Glauben Sie wirklich, dass die Briten vertrieben werden?«, fragte Bette.
»Die Aufständischen sind eine kleine Minderheit. Falls es überhaupt zur Unabhängigkeit kommt, dann durch Kooperation und Abkommen mit Großbritannien. Wir brauchen einander. Aber bis dahin wird die Lage in manchen Landesteilen ziemlich instabil bleiben.« Tony sah sie an. »Welch ein Glück, dass ich in meinem Unternehmen eine Weile entbehrlich bin und diese Einladung annehmen konnte.«
»Ich weiß noch, dass Roland und Eugene mir erzählt haben, Sie seien ein hervorragender Geschäftsmann. An mehr erinnere ich mich leider nicht mehr.«
Tony lächelte. »Nach dem Tod meines Vaters habe ich unsere Geschäftsfelder erweitert, obwohl es nach dem Krieg schwierig wurde, in unsere traditionellen Märkte – Siam, Burma und Sumatra – zu exportieren. Da ich aber Chinese bin, konnte ich diese Probleme durch die Kongsi lösen.«
»Verzeihung – was sind die Kongsi?«
»Als die ersten chinesischen Einwanderer nach Penang kamen, bildeten sie Clans, also Interessenverbände, und errichteten Clanhäuser. Diese fungierten mehr oder weniger wie Clubs, Neuankömmlinge konnten dort wohnen, lernten wichtige Leute kennen, fanden Arbeit und bekamen Unterstützung an ihrem neuen Wohnort. So wurden sie im Lauf der Zeit zu Orten, wo die Leistungen des jeweiligen Familienclans geehrt wurden. Einige Kongsi sind wahre Kunstwerke.
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