Das Lied der Maori
freundlich.
»Und was macht nun die Goldgräberei?«, fragte er schließlich. »Sind Sie dem Reichtum schon etwas nähergekommen?«
Das war die Gelegenheit. William setzte eine bekümmerte Miene auf. »Ich fürchte, das war ein Fehlgriff«, bemerkte er. »Wobei ich nicht sagen kann, dass man mich nicht gewarnt hätte. Schon Ihre reizende Tochter machte mich bei unserem ersten Treffen darauf aufmerksam, dass Goldschürfen wohl doch mehr etwas für Träumer als für ernsthafte Siedler ist.« Er lächelte Elaine zu.
Ruben blickte verwundert. »Letzte Woche klangen Sie aber noch ganz anders! Haben Sie nicht die gesamte Ausrüstung erstanden, einschließlich Campingzelt?«
William machte eine entschuldigende Geste. »Manchmal lässt man sich seine Irrwege einiges kosten«, meinte er bedauernd. »Aber ein paar Tage auf den Claims haben mich schnell ernüchtert. Der Ertrag steht einfach nicht im Verhältnis zum Aufwand ...«
»Das kommt darauf an!«, warf Georgie eifrig ein. »Meine Freunde und ich waren letzte Woche Gold waschen, und Eddie – das ist der Sohn vom Schmied – hat ein Goldkorn rausgeholt, für das er achtunddreißig Dollar gekriegt hat!«
»Aber du hast den ganzen Tag geschuftet und hattest nicht mal einen Dollar!«, erinnerte ihn Elaine.
Georgie zuckte die Achseln. »Das war eben Pech!«
Ruben nickte. »Womit das Problem um den Goldrausch auch schon zusammengefasst wäre. Es ist ein Glücksspiel, und nur selten fällt ein echter Hauptgewinn ab. Meistens geht es auf und ab. Die Männer halten sich mit den Erträgen ihrer Claims gerade so über Wasser, aber jeder hofft auf das große Glück!«
»Ich glaube, das Glück wartet anderswo«, erklärte William und streifte Elaine mit einem kurzen Blick. Elaines Gesicht leuchtete auf – schließlich waren all ihre Sinne nur auf den jungen Mann neben ihr konzentriert. Aber auch Ruben und Fleurette blieb der Blickkontakt nicht verborgen.
Fleurette wusste nicht, was sie störte, aber trotz der untadeligen Vorstellung, die der junge Einwanderer hier gab, hatte sie ein ungutes Gefühl. Ruben schien es nicht zu teilen. Er lächelte.
»Und was planen Sie dann stattdessen, junger Mann?«, fragte er freundlich.
»Tja ...« William machte eine wirkungsvolle Pause, als hätte er sich diese Frage bisher kaum gestellt. »Am Abend meiner Ankunft sagte mir einer der hiesigen Bankmitarbeiter, ich sollte mich besser auf die Dinge konzentrieren, die ich wirklich kann. Na ja, und die beziehen sich natürlich am ehesten auf die Leitung einer Schaffarm ...«
»Also wollen Sie wegziehen?«, Elaine klang erschrocken und enttäuscht, obwohl sie versuchte, unbeteiligt zu tun.
William zuckte die Achseln. »Ungern, Elaine, äußerst ungern. Aber das Zentrum der Schafzucht sind natürlich die Canterbury Plains ...«
Fleurette lächelte ihm zu. Sie fühlte sich seltsam erleichtert.
»Vielleicht könnte ich Ihnen da eine Empfehlung geben. Meine Eltern haben eine große Farm bei Haldon und erstklassige Kontakte.«
»Aber das ist so weit weg ...« Elaine versuchte, ihre Stimme zu kontrollieren, doch Williams Ankündigung hatte sie getroffen wie ein Dolch ins Herz. Wenn er jetzt wegzog und sie ihn womöglich niemals wiedersah ... Elaine spürte, wie das Blut aus ihrem Gesicht wich. Gerade jetzt, gerade er ...
Ruben O’Keefe registrierte sowohl die Erleichterung seiner Frau als auch die Enttäuschung seiner Tochter. Fleurette würde diesen jungen Mann lieber heute als morgen von Elaines Seite bannen, auch wenn ihm der Grund dafür nicht ganz klar war. Bis jetzt machte William Martyn schließlich einen guten Eindruck. Ihm eine Chance in Queenstown zu geben bedeutete schließlich noch keine Verlobung.
»Nun ... vielleicht beschränken Mr. Martyns Fähigkeiten sich ja nicht allein auf das Schafezählen«, meinte er launig. »Wie steht es mit Buchhaltung, William? Ich könnte im Laden jemanden brauchen, der mir die leidige Schreiberei abnimmt. Aber wenn Sie natürlich gleich eine leitende Stellung anstreben ...«
Rubens Ausdruck machte deutlich, dass er das für illusorisch hielt. Weder Gwyneira Warden noch die anderen Schafbarone im Osten warteten auf einen unerfahrenen jungen Schnösel aus Irland, um ihnen zu sagen, wie ihre Farm zu führen war. Ruben selbst interessierte sich zwar nicht übermäßig für Schafe, aber er war in einem entsprechenden Betrieb aufgewachsen und nicht dumm. Viehzucht und Viehhaltung in Neuseeland hatte mit der Landwirtschaft in Britannien und Irland
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