Das Lied der Maori
anbieten konnte, oder sie lud ihn nach dem Sonntagsgottesdienst zum Picknick ein und verbrachte den gesamten Samstag mit der Vorbereitung verschiedenster Leckereien. William küsste sie jetzt auch häufiger, was der Sache allerdings keineswegs den Reiz nahm. Noch immer schien Elaine vor Glück zu vergehen, wenn er sie in den Arm nahm, und wenn sie seine Zunge in ihrem Mund spürte, schmolz sie in seinen Armen dahin.
Ruben und Fleurette duldeten die Romanze zwischen ihrer Tochter und ihrem neuen Buchhalter mit gemischten Gefühlen. Fleurette war immer noch besorgt, während Ruben die Angelegenheit inzwischen mit einem gewissen Wohlwollen betrachtete. William hatte sich in seinem neuen Job hervorragend eingeführt. Er war intelligent und verstand sich auf Kontoführung und Buchhaltung; die Unterschiede zwischen der Verwaltung einer Farm und eines Warenlagers lernte er schnell. Außerdem nahm er die Kunden mit seinen guten Manieren und seinem zuvorkommenden Wesen für sich ein. Besonders die Damen ließen sich gern von ihm bedienen. Gegen einen solchen Schwiegersohn hätte Ruben nichts einzuwenden gehabt – wäre er nur ein paar Jahre später aufgetaucht. Vorerst musste Ruben O’Keefe seiner Frau zustimmen. Elaine war zu jung für eine engere Bindung; er würde ihr auf keinen Fall erlauben, jetzt schon zu heiraten. Insofern würde es auf die Bereitschaft des jungen Mannes ankommen, auf sie zu warten. Brachte William ein paar Jahre Geduld auf, war es gut; wenn nicht, würde Elaine bitter enttäuscht werden. Während Fleurette genau dies befürchtete, sah Ruben die Sache gelassener. Mit wem sollte William seiner Tochter denn schon davonlaufen? Die anderen ehrbaren Mädchen im Ort waren noch jünger als Elaine. Und irgendeine Neusiedlertochter von den umliegenden Farmen kam für William sicher nicht in Frage: Ruben schätzte William nicht so ein, als würde er sich Hals über Kopf in ein mittelloses Mädchen verlieben, mit dem er dann irgendwo neu anfangen musste. Der Junge machte sich schließlich kaum Illusionen, wem er seine Stellung im O’Kay Warehouse verdankte.
Insofern ließ Ruben die Zügel locker – und Fleurette schloss sich zähneknirschend an. Schließlich wussten die beiden aus eigener Erfahrung, dass eine junge Liebe kaum zu kontrollieren war. Ihre eigene Geschichte war sehr viel komplizierter gewesen als Elaines und Williams Liebelei und der Widerstand ihrer Väter und Großväter viel größer als Fleurettes Ressentiments. Trotzdem waren sie zusammengekommen. Das Land war groß und die gesellschaftliche Kontrolle gering.
Am frühen Morgen des Tages von Gwyneiras Ankunft in Queenstown waren Elaine und William gemeinsam zu einer größeren Tour aufgebrochen. William hatte sich erboten, eine Warenlieferung zu einer entfernten Farm zu bringen; Elaine begleitete ihn mit einer Kollektion Kleider und Kurzwaren aus der Damenabteilung des Store. Die Farmersfrau konnte dann in Ruhe auswählen, anprobieren und sich von Elaine beraten lassen – ein Service, den Fleurette seit den Anfängen des Unternehmens anbot und der gern genutzt wurde. Bot er den abgeschieden lebenden Frauen doch nicht nur die Möglichkeit zum Einkauf, sondern obendrein zum Austausch von Klatsch und Neuigkeiten aus der Stadt, die aus weiblichem Mund stets anders klangen, als wenn nur der Fahrer sie verbreitete.
Natürlich hatte Elaine außerdem ein Picknick für William organisiert und dafür sogar eine Flasche leichten australischen Wein aus den Beständen ihres Vaters mitgehen lassen. Die beiden hatten an einem idyllischen Hang am See fürstlich gespeist und dabei dem Herzschlag des Riesen gelauscht, der das Wasser steigen und sinken ließ. Und zum Schluss hatte Elaine geduldet, dass William ihr Kleid ein Stück öffnete, den Ansatz ihres Busens liebkoste und mit kleinen Küssen bedeckte. Jetzt war sie erfüllt von dieser neuen Erfahrung, hätte vor Glück die ganze Welt umarmen können und ließ kaum die Hände von William, der – ebenfalls zufrieden mit dem Verlauf des Tages – gelassen die Zügel ihres Gespannes führte. Zumindest, bis die beiden Stuten interessiert die Köpfe hoben und einem dunkelbraunen Pferd vor dem Laden zuwieherten. Elaine erkannte den Hengst sofort.
»Das ist Owen! Grandma Gwyns Zuchthengst! Oh, William, dass sie den mitgebracht hat! Banshee kann ein Fohlen haben! Und Caitlin und Ceredwen wollen sofort flirten. Ist das nicht wundervoll?«
Caitlin und Ceredwen waren die Cob-Stuten vor dem leichten
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