Das Lied von Eis und Feuer 03 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 03 - A Clash of Kings (Pages 1-332)
seien weitaus häufiger vertreten als die unedleren Metalle.
Pycelle bewegte sich sehr langsam, und so hatte Tyrion Zeit, sein Ei aufzuessen und die Pflaumen zu kosten – zu zerkocht und wässrig für seinen Geschmack –, ehe er das Geflatter hörte und sich erhob. Er sah den Raben, der sich schwarz vom Morgenhimmel abhob, und drehte sich rasch zu dem Labyrinth von Bücherregalen auf der anderen Seite des Raums um.
Die Arzneien des Maesters, die dort aufgereiht waren, beeindruckten ihn; Dutzende wachsversiegelter Töpfchen, Hunderte mit Korken verschlossener Phiolen und ebenso viele Fläschchen aus Milchglas, dazu eine endlose Anzahl von Gefäßen mit getrockneten Kräutern, von denen Pycelle jedes einzelne feinsäuberlich beschriftet hatte. Eine ordnungsliebende Seele , dachte sich Tyrion, und tatsächlich, nachdem man das System einmal durchschaut hatte, war leicht zu erkennen, dass jedes Mittel seinen Platz hatte. Und so interessante Sachen. Er entdeckte Schlafsüß und Nachtschatten,
Mohnblumensaft, die Tränen von Lys, Graukäppchenpulver, Eisenhut und Dämonentanz, Basiliskengift, Blindaug, Witwenblut …
Indem er sich auf die Zehenspitzen stellte und sich reckte, gelang es ihm, ein kleines verstaubtes Fläschchen vom obersten Brett zu holen. Er las das Etikett, lächelte und ließ das Fläschchen in seinen Ärmel gleiten.
Als Großmaester Pycelle schließlich die Stiege herunterkam, saß Tyrion bereits wieder am Tisch und pellte ein zweites Ei. »Es ist erledigt, Mylord.« Der alte Mann setzte sich. »Eine Angelegenheit wie diese besorgt man am besten unverzüglich, gewiss, gewiss … von großer Wichtigkeit, sagtet Ihr?«
»Oh ja.« Der Haferbrei war für Tyrions Geschmack zu zäh und hätte außerdem Butter und Honig vertragen können. Sicherlich gab es heutzutage in Königsmund nur selten Butter und Honig, obwohl Lord Gil die Burg gut versorgte. Die Hälfte der Vorräte, die sie zur Zeit aßen, stammte entweder von seinem oder von Lady Tandas Land. Rosby und Schurwerth lagen im Norden, nahe der Stadt, und der Krieg hatte sie bisher nicht in Mitleidenschaft gezogen.
»An den Fürsten von Dorne persönlich. Dürfte ich fragen …«
»Lieber nicht.«
»Wie Ihr meint.« Pycelle platzte fast vor Neugier, ein kleiner Stich mit einer Nadel hätte genügt. »Vielleicht … der Rat des Königs …«
Tyrion klopfte mit dem Holzlöffel an den Rand der Schüssel. »Der Rat ist allein dazu da, dem König mit Rat zur Seite zu stehen, Maester.«
»Ebendies«, erwiderte Pycelle, »und der König …«
»… ist ein dreizehnjähriger Knabe. Ich spreche an seiner statt.«
»Das tut Ihr. Gewiss. Des Königs Hand. Dennoch … Eure gnädigste Schwester, unsere Königin Regentin, sie …«
»… sie trägt eine schwere Bürde auf ihren lieblichen weißen Schultern. Ich wünsche nicht, dass diese Last noch schwerer wird. Ihr etwa?« Tyrion legte den Kopf schief und starrte den Großmaester forschend an.
Pycelle richtete den Blick wieder auf sein Frühstück. Tyrions ungleichen Augen, eines schwarz, das andere grün, wichen die Menschen am liebsten aus; er war sich dessen bewusst und bediente sich dieser Wirkung gern. »Ach«, murmelte der alte Maester in seine Pflaumen, »zweifellos habt Ihr Recht, Mylord. Es ist sehr rücksichtsvoll von Euch, ihr … diese Bürde … zu ersparen.«
»So bin ich eben.« Tyrion wandte sich wieder seinem faden Haferbrei zu. »Rücksichtsvoll. Immerhin ist Cersei meine Schwester.«
»Und zudem eine Frau«, fügte Großmaester Pycelle hinzu. »Eine höchst ungewöhnliche Frau, und dennoch … es ist keine Kleinigkeit, sich aller Probleme des Reiches anzunehmen, vor allem, wenn man die Zartheit ihres Geschlechts bedenkt. «
O ja, sie ist eine zarte Taube, fragt nur Eddard Stark. »Es freut mich, dass Ihr meine Sorgen teilt. Und ich möchte mich für Eure Gastfreundschaft bedanken.« Er schwang die Beine herum und kletterte von seinem Stuhl. »Seid so gut und teilt mir unverzüglich mit, sobald eine Antwort aus Dorne eintrifft.«
»Wie Ihr wünscht, Mylord.«
»Und nur mir!«
»Äh … gewiss.« Pycelles altersfleckige Hand umklammerte seinen Bart wie ein Ertrinkender ein Tau. Der Anblick erfreute Tyrions Herz. Nummer eins, dachte er.
Er watschelte hinunter in den unteren Hof; seine verkümmerten Beine beschwerten sich über jede Stufe. Die Sonne stand inzwischen höher, und die Burg erwachte zum Leben. Auf den Mauern patrouillierten Gardisten; im Hof übten sich Ritter und ihre
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