Das Lied von Eis und Feuer 6 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 6 - A Storm of Swords. Book Three of A Song of Ice and Fire (2)
lasst Euch in Eurem Ränkespiel nicht stören. « Jon stieg aus der Wanne, trocknete sich ab, zog sich an und überließ die Verschwörer ihrem Treiben.
Draußen stellte er fest, dass er nicht wusste, wo er eigentlich hinwollte. Er ging an dem ausgebrannten Turm des Lord Kommandanten vorbei, wo er einst den Alten Bären vor einem
Toten gerettet hatte, vorbei an der Stelle, an der Ygritte mit diesem traurigen Lächeln im Gesicht gestorben war, am Königsturm vorbei, wo er und Satin und der Taube Dick Follard auf den Magnar und seine Thenns gewartet hatten, vorbei an dem Trümmerhaufen der großen Holztreppe. Das innere Tor stand offen, daher betrat Jon den Tunnel und schritt durch die Mauer. Um sich herum spürte er die Kälte und das Gewicht des Eises über seinem Kopf. Er passierte die Stelle, wo Donal Noye gegen Mag den Mächtigen gekämpft hatte und beide gestorben waren, und trat durch das neue Außentor wieder ins bleiche kalte Sonnenlicht.
Erst hier gestattete er sich anzuhalten, Atem zu holen und nachzudenken. Othell Yarwyck war kein Mann großer Überzeugungen, außer wenn es um Holz und Stein und Mörtel ging. Der Alte Bär hatte das gewusst. Thorn und Marsch werden ihn umstimmen, am Ende wird Yarwyck Lord Janos unterstützen, und Lord Janos wird zum neuen Lord Kommandanten gewählt werden. Und was bleibt mir dann, wenn nicht Winterfell?
Der Wind blies gegen die Mauer und zerrte an seinem Mantel. Er fühlte die Kälte, die von dem Eis ausging wie Hitze von einem Feuer. Jon schlug die Kapuze hoch und setzte seinen Weg fort. Der Nachmittag neigte sich langsam dem Abend zu, und die Sonne stand schon tief im Westen. Hundert Schritt vor ihm lag das Lager, in dem König Stannis die Wildlinge innerhalb eines Rings aus Gräben, angespitzter Pfähle und hoher Holzzäune gefangen hielt. Zu seiner Linken befanden sich die drei großen Feuergruben, in denen die Sieger die Leichen all jener vom freien Volk verbrannt hatten, die vor der Mauer gefallen waren, ob nun hünenhafte pelzige Riesen oder kleine Hornfußmänner. Das Schlachtfeld war immer noch eine Wüstenei aus versengtem Unkraut und ausgehärtetem Pech, doch auch Mankes Volk hatte seine Spuren überall hinterlassen, eine abgerissene Haut, die einst Teil eines Zelts gewesen sein mochte, der Hammer eines Riesen, das Rad eines Streitwagens, ein zerbrochener Speer, ein Haufen Mammutdung. Am Rand des
Verfluchten Waldes, wo die Zelte gestanden hatten, fand Jon einen Eichenstumpf und setzte sich.
Ygritte wollte, dass ich ein Wildling werde. Stannis will, dass ich der Lord von Winterfell werde. Aber was will ich selbst? Die Sonne kroch am Himmel hinunter und tauchte dort hinter die Mauer, wo sich das riesige Bauwerk durch die Hügel im Westen schlängelte. Jon beobachtete, wie das hoch aufragende Ungetüm aus Eis das Rot und Rosa des Sonnenuntergangs annahm. Würde ich mich lieber von Lord Janos als Abtrünniger hängen lassen oder meinem Gelübde abschwören, Val heiraten und der Lord von Winterfell werden? Die Wahl erschien angesichts dieser Bedingungen leicht … und doch, wenn Ygritte noch gelebt hätte, wäre sie ihm wesentlich leichter gefallen. Val war eine Fremde für ihn. Sie war nicht übel anzuschauen, sicherlich, dazu die Schwester von Manke Rayders verstorbener Königin und dennoch …
Ich müsste sie rauben, wenn ich ihre Liebe gewinnen wollte, aber sie würde mir vielleicht Kinder schenken. Eines Tages könnte ich vielleicht einen Sohn von meinem eigenen Blut in meinen Armen halten. Von einem Sohn hatte Jon Schnee nicht mehr zu träumen gewagt, seit er sich für das Leben auf der Mauer entschieden hatte. Ich könnte ihn Robb nennen. Val würde den Sohn ihrer Schwester behalten wollen, und wir könnten ihn als Mündel zu uns nach Winterfell nehmen und Goldys Sohn auch. Dann braucht Sam nicht zu lügen. Für Goldy fände sich gewiss auch ein Plätzchen, und Sam könnte sie einmal im Jahr besuchen. Mankes Sohn und Crasters Sohn würden wie Brüder aufwachsen, so wie ich einst mit Robb.
Er wollte es, das wusste Jon jetzt. Er wollte es mehr, als er je zuvor irgendetwas gewollt hatte. Ich habe es mir schon immer gewünscht, dachte er schuldbewusst. Mögen die Götter mir verzeihen. Schneidender Hunger machte sich in seinem Leib breit, scharf wie eine Drachenglasklinge. Ein Hunger …Er fühlte ihn. Er brauchte etwas zu fressen, Beute, einen nach Angst stinkenden Rothirsch oder einen großen Elch, stolz und trotzig. Er wollte töten und seinen Bauch mit
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