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Das Los: Thriller (German Edition)

Das Los: Thriller (German Edition)

Titel: Das Los: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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Wesen von solcher Natürlichkeit und Anmut erlebt. In einer Welt, in der sie alle Schauspieler waren, ihn eingeschlossen, berührte ihn ihre offene und ehrliche Art. Und obgleich sich darin ein großes Maß an Naivität offenbarte, war sie gleichzeitig stets elegant.
    Er seufzte. Nun hatten sich mit der heutigen Ziehung seiner Lotterie nahezu all seine Träume erfüllt, und anstatt als zufriedener Mann aufzuwachen, träumte er von einem neuen Luftschloss. Seine wehmütigen Gedanken wurden vertrieben, als sein Blick auf Charles fiel, der an Maries Hand lief. Marie hatte ihn heute Morgen in ihrem Haus sorgfältig mit Seife gewaschen. Charles trug ein festliches Gewand, das Marie entworfen und der Schneider nach ihren Anweisungen genäht hatte. Er sah aus wie ein kleiner Prinz.
    »Da kommt ja der Rotzbengel endlich!« Hainchelin hatte sich neben Calzabigi gedrängelt. »Schaut ihn Euch an. Ein Betteljunge in einem Prinzenkostüm. Das passt zu Eurem Spiel. Fehlt nur noch, dass der Gouverneur sich ein Bettlergewand anzieht, um den Klamauk perfekt zu machen.«
    Während Hainchelin sprach, hatte auch der Gouverneur Johann Dietrich von Hülsen seinen Platz neben der Lostrommel eingenommen. Er war vor einer Woche vom König ins Amt befördert worden, und dies war sein erster öffentlicher Auftritt. Vielleicht auch deshalb war er besonders prachtvoll gekleidet.
    »Wie ich sehe, habt Ihr Eure Narrenkappe noch gar nicht aufgesetzt«, spottete Calzabigi.
    »Lästert Ihr nur«, entgegnete Hainchelin. »Apropos, ich erhielt unlängst eine anonyme Mitteilung, und zwar eine, die nicht Euren Geruch trug. Darin wird berichtet, dass Ihr in London an der Seite der Witwe des Generals La Mothe aufgetreten seid. Eure junge Gemahlin ist dort anscheinend unbekannt. Merkwürdig, so hübsch wie sie ist!« Der Hofrat setzte eine unschuldige Miene auf.
    Calzabigi fühlte einen Stich in der Magengegend.
    Gerade legte er sich eine Antwort zurecht, als Hainchelin nachlegte. »Zudem hatte ich gestern Gelegenheit, bei einer Truppeninspektion kurz mit dem König zu sprechen. Er ist sehr gespannt auf den Ausgang der Ziehung – und ob Ihr den versprochenen Gewinn für die Staatskasse erzielen könnt. Mit dem Leben hättet Ihr gebürgt, sagte er mir noch einmal! Insofern hoffe ich, dass es nicht zu viele Gewinner geben wird.«
    Calzabigi spürte, wie er zu zerplatzen drohte. Zu gern hätte er Hainchelin seine Faust spüren lassen.
    »Das zeigt, wie wenig Ihr von dieser Angelegenheit versteht. Nicht mit der ersten Ziehung machen wir den Gewinn. Je mehr Menschen gewinnen, um so mehr werden bei den nächsten Ziehungen mitmachen. Gewinne für das Volk sind die beste Werbung. Und was meine Gemahlin angeht …« Calzabigi wurde von einem Trommelwirbel unterbrochen, der sich auf der Bühne erhob.
    Dort hatte mittlerweile unter dem Beifall der Zuschauer mit vorsichtigen Schritten auch Charles die Bühne betreten und klammerte sich nun an die Lostrommel. Vielleicht waren es die vielen Leute, vielleicht seine ungewohnte Kleidung. Jedenfalls hatte Calzabigi den sonst so kessen Waisenknaben noch niemals so schüchtern erlebt.
    »Oh, mein Auftritt, verehrter Calzabigi«, sagte Hainchelin und bedachte seinen Gesprächspartner mit einem schneidenden Lächeln. »Beobachtet Ihr das Schauspiel schön aus dem Schatten heraus. Ich finde, er steht Euch gut zu Gesicht.« Der Hofrat stieß sich mit der Hand von Calzabigis Arm ab und stürmte auf die Bühne.
    »Ich bringe ihn um …«, zischte Calzabigi wütend. Auf seiner Suche nach etwas, das ihn ablenken konnte, entdeckte er Marie und genoss die beruhigende Wirkung, die sie stets auf ihn ausübte. Sie stand mittlerweile am hinteren Rand der Bühne und beobachtete mit einem bezaubernden Lächeln Charles. Er spürte so etwas wie Eifersucht in sich aufsteigen. Was würde er darum geben, wenn sie eines Tages ihn mit einem solch liebevollen Lächeln bedenken würde. Als habe sie bemerkt, dass er sie beobachtete, wandte Marie plötzlich ihren Kopf zu ihm. Ihr Lächeln erstarb. In diesem Moment ertönte ein weiterer Trommelwirbel, der Marie zusammenfahren ließ. Scheu wandte sie sich ab. Frustriert widmete auch Calzabigi sich wieder der Ziehung. Angst, dachte er. Sie hat Angst vor mir.
    Hainchelin hatte mittlerweile auf dem Podium eine Ansprache an das Volk gehalten, deren deutsche Sätze für Calzabigi unverständlich gewesen waren und wie das Abfeuern von Artilleriegeschützen geklungen hatten. Überwiegend schien Hainchelin

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