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Das Mädchen am Rio Paraíso

Das Mädchen am Rio Paraíso

Titel: Das Mädchen am Rio Paraíso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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die Ellbogen auf die Oberschenkel gestützt, und keuchte. Als mein Atem wieder normal ging, schaute ich mich um, aber es war nichts von Hannes zu sehen. Wahrscheinlich saß er im Haus wie eine fette giftige Spinne und wartete darauf, dass sein Opfer ihm ins Netz ging. Aber das hatte ich nicht vor. Jedenfalls nicht so bald.
    Irgendwann, so sprach ich mir Mut zu, würde er schon wieder abhauen, würde zu seinen Saufkumpanen nach São Leopoldo reiten und dort bei den armen Neuankömmlingen den dicken Maxe markieren. Und so lange wollte ich abwarten. Zur Not würde ich die Nacht im Freien verbringen. Das schreckte mich weit weniger als die Vorstellung, mit meinem mir angetrauten Mann, der versprochen hatte, mich zu lieben und zu ehren, im Ehebett zu liegen.
    Ich schlich nah an unser Häuschen heran, damit ich den Zeitpunkt nicht verpasste, zu dem er es verließ. Ich hörte Hildchen heulen, und es zerriss mir fast das Herz, nicht auf der Stelle zu ihr gehen und sie füttern, trösten oder wickeln zu können. Ich verbot mir jede gefühlsduselige Anwandlung. Das eine machte er ja wenigstens gut, der Hannes: Er kümmerte sich liebevoll um unsere Tochter.
    Ich kauerte mich dicht in die Wurzeln der
figueira branca,
die oberhalb der Erde verliefen und aussahen wie Sehnen, über die die glatte Baumrinde gespannt war. Ich wendete den Blick keine Sekunde von unserem Haus ab. Das Schreien des Kindes hielt unvermindert an. Herrgott noch mal, warum unternimmt er denn nichts?, dachte ich noch, als Hannes vor die Tür trat, das heulende Hildchen auf dem Arm.
    »Ich weiß, dass du da draußen bist. Und da kannst du von mir aus auch bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag bleiben und verrotten. Mal sehen, ob dein Friedhelm dich dann immer noch will, wenn du so richtig schön verlumpt, verlaust und verdreckt bist. Wenn du am ganzen Leib zerstochen bist, hässliche Wunden hast von Schlangen- oder Spinnenbissen, oder wenn dir einer deiner geliebten
jacarés
ein Körperteil abbeißt.« Er brach in irres Gelächter aus, das mich mehr ängstigte als alle Gefahren des Dschungels zusammengenommen.
    Ich gab keinen Laut von mir und wagte auch nicht, mich zu rühren. Mit erstaunlicher Geschicklichkeit schritt er vor dem Haus hin und her, unter den Achseln die Krücken, mit einer Hand das Kind an die Brust gedrückt. Hätte er nicht so gehumpelt, hätte er sehr an den nervösen Tiger in seinem Käfig, den ich einmal bei einem Wanderzoo gesehen hatte, erinnert. Ich ließ die Augen nicht von ihm und dachte darüber nach, wie zum Teufel er auf die Idee mit Friedhelm und mir gekommen war. Eigentlich konnte es doch nur Christel gewesen sein, die ihm erzählt hatte, dass der Friedhelm mich bei der Chorprobe so angegafft hatte. Andererseits konnte sie nicht diejenige gewesen sein, die mich auf Friedhelms Pferd gesehen hatte, denn an dem Haus der Gerhards waren wir ja nicht vorbeigeritten. Da kamen dann nur die Osterkamps, die Müllers oder die Schmidtbauers in Frage. Von denen hielt ich wiederum keinen für boshaft genug, in diesen harmlosen Ritt etwas Unanständiges hineinzudeuten. Aber das hatten sie ja vielleicht auch gar nicht getan. Vermutlich hatte derjenige, der uns gesehen hatte, es nur beiläufig gegenüber Hannes erwähnt, woraufhin dieser dann seine – falschen – Schlüsse gezogen hatte. Und daran wiederum war einzig seine eigene Verderbtheit schuld: Wer selber nicht treu war, unterstellte anderen ebenfalls nur unlautere Absichten. Und als Untreue legte ich ihm das Techtelmechtel mit jenem unbekannten Mädchen im Hunsrück aus, obwohl wir damals noch nicht verheiratet gewesen waren.
    »Tja«, rief Hannes plötzlich und hielt in seinem stumpfsinnigen, holprigen Auf-und-ab-Gehen inne, »ich muss leider bald los. Hildchen kann ich nicht mitnehmen, es wird nämlich spät. Am besten lege ich sie gleich hier ab, auf der Erde, damit du sie im Blick hast. Wenn ein
jacaré
sie holen will oder so.«
    Ich traute meinen Augen nicht, als er tatsächlich das arme Kind auf die Erde legte. Das konnte er doch nicht tun! War ihm nicht einmal das Leben seiner Tochter heilig? Wie wollte er mich denn noch demütigen? Ich nahm mir fest vor, nicht dorthin zu gehen, um mir Hildchen zu schnappen. Bestimmt versteckte Hannes sich irgendwo und wartete nur darauf, mich zu erwischen. Es tat mir in der Seele weh, Hildchen da auf dem Rücken liegen zu sehen wie einen Käfer im Todeskampf, mit in die Luft gereckten, strampelnden Beinchen. Sie würde in der noch immer heißen Sonne

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