Das magische Land 2 - Das Amulett der Schlange
Averil, dass man Peredur nicht trauen konnte, aber ein paar Zweifel kamen ihm schon.
»Ein weiser Führer kalkuliert alles mit ein«, sagte Peredur. »Geht und schlaft, wenn Ihr könnt. Beide. Macht Euch bereit, morgen früh loszureiten.« Gereint brauchte nicht zu fragen, wohin. Welche Zweifel er auch gehabt haben mochte, sie waren verschwunden. Genau wie Peredur, der sich scheinbar in Luft aufgelöst hatte.
Kapitel 29
Averils Traum ging so sanft in die Wirklichkeit über, dass sie sich eine ganze Weile lang fragte, ob sie wirklich wach geworden war. In dem Traum war die schwarze Flotte auf ihrem sicheren Schild auf die Luftmauern zugesegelt, hatte das Schild in einen Rammbock verwandelt und damit wieder und wieder auf die Schwachstelle eingedroschen. Als sie im frostigen Morgengrauen erwachte, hatten Dienerinnen ihr schon ein Bad eingelassen, ein Frühstückstablett gebracht und Reitkleidung bereitgelegt. Sie hatten sogar Waffen für sie: einen Jagdbogen, ein langes Messer und ein Schwert, das gut in ihrer Hand lag. Gereint und Riquier waren schon gewaschen und angezogen und hatten bereits gegessen. Sie hätte sie mit Fragen überhäufen können, aber die Antworten fanden sich alle in ihrem Traum.
Die Wachen der Königin sammelten sich vor dem Palast unten bei der Flussbiegung. Boote mit bewaffneten Männern an Bord warteten, und ein großes Schiff mit goldenem Bug und dem Banner der Königin und — zu Averils Erstaunen — dem silbernen Schwan von Quitaine.
»Keine Geheimnisse mehr«, sagte Gereint, als würde er mit sich selbst reden. Sie fragte sich, ob das klug war. Sie selbst hatte seit dem Aufstehen nicht gesprochen, und auch jetzt kamen ihr keine Worte in den Sinn. Wachen begleiteten sie an Bord des Schiffes.
Sie fühlte sich nicht wie eine Gefangene. Alles, was sie getan hatte, seit sie sich erinnern konnte, hatte hierhergeführt. Ihr Schweigen war nicht passiv; es war die Stille des Wartens, des Kräftesammelns und der Besinnung auf alles Wissen und alle Fähigkeiten und alle Klugheit, die sie erworben hatte. Ihre Füße traten beherzt auf die Planken des Decks. Die Magier der Königin waren schon da, Peredur in ihrer Mitte. Er trug eine Rüstung wie ein Ritter — oder wie ein Paladin.
Da waren auch Ritter der Rose sowie Knappen und Novizen in ihrer Begleitung. Weitere von ihnen bemannten die nachfolgenden Boote, darunter die Ritter und Krieger Prydains sowie Kompanien von seltsam gestalteten und gekleideten Wesen, die sich benahmen, als hätten sie genau dasselbe Recht hier zu sein wie alle anderen.
Und so war es auch. Dies war auch ihr Reich.
Es war ein einfacher Gedanke und vollkommen logisch, aber während sie ihn dachte, ging eine grundlegende Veränderung in ihr vor. Sie hatte noch einen weiten Weg vor sich, bis sie die wilde Magie und deren Wesen vollkommen anerkennen würde, aber das tief sitzende Unbehagen war verschwunden. Es war nicht nur eine Verpflichtung, sondern eine Ehre für sie, Seite an Seite mit diesen Wildvolkwesen zu kämpfen, wenn es dazu kam.
Kurze Zeit später traf die Königin als Letzte ein. Wie Averil war sie bewaffnet und gekleidet, um zu kämpfen. Unter den Männern in ihrem Gefolge befand sich auch ihr Neffe Goronwy.
Averils Nackenmuskeln spannten sich, doch als sie in Peredurs Richtung schaute, nickte dieser kaum merklich. Die Magier würden ihn im Auge behalten. Sie war nicht vollkommen beruhigt, aber gelassener als zuvor — besonders als sie Gereints Wachsamkeit spürte.
Ihm traute sie. Wenn er mit all seiner Kraft im Hintergrund auf der Hut war, mochten sie vielleicht in Sicherheit sein.
Bei Sonnenaufgang befanden sie sich schon ein gutes Stück flussabwärts von Caermor und segelten bei frischem Wind in Richtung Meer. Es war ein stärkerer Wind, als er in der Luft der Welt wehte, und die Strömung des Flusses erhielt reichlich Unterstützung: Wasserwildvolkwesen trugen das Schiff weiter.
Die Flotte der Königin vergrößerte sich unterwegs, bis sie sich am späteren Morgen so weit nach hinten zog wie das Auge des Ausguckpostens reichte. An den Ufern standen jubelnde Menschen. Sie hatten keine Blumen, die sie ins Wasser warfen, da der Winter vor der Tür stand, aber sie schleuderten Kränze aus Stechpalmen, Lorbeer und Mistelzweigen, in die sie alte Magie geflochten hatten.
Einer der Kränze wurde von einer Windböe erfasst und landete auf Gereints Kopf. Er wollte ihn abnehmen, doch ein Mann der Königin hielt ihn davon ab. »Das bringt Glück,
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