Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
Justizministerium das alles wissen? Er war so vorsichtig gewesen, hatte jedes Mal einen anderen Mittelsmann mit dem Kauf betraut und stets neue Namen und Adressen angegeben. Es konnte doch eigentlich nicht möglich sein, ihm eine Verbindung zu den verschiedenen Kunsthändlern und Galerien nachzuweisen.
Seine Gedanken rasten. Konnte er Druck ausüben, um diese Untersuchung abzuwenden? Sein Chef, der Innenminister, war ihm manchen Gefallen schuldig. Doch den Gedanken verwarf er sofort. Der Minister würde seinen Posten nicht aufs Spiel setzen, um einen Skandal dieser Größenordnung zu vertuschen.
Nein, erkannte Kessler deprimiert, er musste fliehen und die Besitztümer zurücklassen, für die er seine Integrität und Ehre geopfert hatte. Doch um nicht erwischt zu werden, brauchte er fremde Hilfe.
In einem dunkelgrünen Ford-Kastenwagen mehrere Straßen von Kesslers Villa entfernt beendete Randi Russell ihr Telefonat. »Das dürfte dem Ekel einige wohlverdiente kalte Schauer über den Rücken jagen«, sagte sie mit zufriedenem Lächeln. »Ich wette zehn zu eins, dass er gleich um Hilfe ruft.«
Der einzige Mann im CIA-Abhörteam, das mit ihr in dem mit
Ausrüstung vollgestopften Wagen saß, schüttelte den Kopf. »Die Wette nehme ich nicht an.« Mit einer Kopfbewegung deutete er auf die Anzeige der Stressmuster in Kesslers Stimme, die während des Telefonats aufgezeichnet worden waren. »Als du angefangen hast, über seine Bilder zu reden, ist der Kerl beinah in Panik ausgebrochen.«
»Einen Augenblick«, sagte die zweite Technikerin unvermittelt und bat mit einer Geste um Ruhe, während sie konzentriert den Geräuschen aus ihrem Kopfhörer lauschte. Sie betätigte eine Reihe von Schaltern auf ihrer Konsole und kontrollierte nacheinander die Signale aus den verschiedenen Abhörgeräten, die Randi am Tag zuvor während ihres Einbruchs in Kesslers Haus versteckt hatte. Dann schaute sie auf. »Zielperson bewegt sich. Er hat das Schlafzimmer verlassen. Ich glaube, er geht ins Arbeitszimmer.«
»Er will dort telefonieren«, prophezeite Randi. »Das Telefon in seinem Schlafzimmer ist kabellos und er will nicht riskieren, dass das, was er gleich sagen wird, von Fremden mitgehört wird.«
Ihre Teamkollegen nickten einträchtig. Da kabellose Telefone wie kleine Funksender funktionierten, konnten Gespräche, die man damit führte, problemlos abgehört werden. Man musste schon sehr naiv sein, um über eine derartige Verbindung etwas Vertrauliches zu besprechen.
Der CIA-Techniker gab über seine Tastatur eine Reihe von Befehlen ein. »Ich bin im Netz der Deutschen Telekom«, meldete er ruhig. »Bereit, das Gespräch zu verfolgen.«
In Angstschweiß gebadet nahm Kessler zögernd an dem wunderschönen antiken Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer Platz. Stumm betrachtete er das Telefon und überlegte. Durfte er es wagen, den Kontakt herzustellen? Die Nummer, die man ihm gegeben hatte, war nur für den Notfall gedacht. Dann lachte er rau.
Na, anders konnte man das ja wohl nicht nennen, dachte er trübsinnig.
Mit bebender Hand nahm er den Hörer und gab langsam und sorgfältig die lange internationale Telefonnummer ein. Trotz der frühen Stunde klingelte das Telefon auf der anderen Seite nur drei Mal, bis sich jemand meldete.
»Ja?«, sagte eine kühle Stimme brüsk. Die Stimme, die ihm über beinahe zwei Jahrzehnte immer wieder Anweisungen gegeben hatte.
Der BKA-Beamte schluckte, ehe er sich meldete. »Hier ist Kessler.«
»Ich weiß, wer mich anruft, Ulrich«, erwiderte Professor Wulf Renke. »Vergeuden Sie meine Zeit nicht mit Floskeln. Was wollen Sie?«
»Ich muss sofort hier herausgeholt werden und ich brauche eine neue Identität.«
»Warum?«
Hastig übermittelte Kessler den Inhalt des Telefonanrufs, den er erhalten hatte, wobei er sich alle Mühe gab, gefasst zu klingen. »Also muss ich Deutschland so schnell wie möglich verlassen«, sagte er. »Ich konnte ein paar Stunden herausgeschlagen, indem ich mich einverstanden erklärt habe, die Staatsanwältin des Justizministeriums später zu treffen, doch sie weiß schon viel zu viel über meine Finanzen. Ich kann es nicht riskieren, mit ihr zusammenzukommen.«
»Glauben Sie, dass diese Frau Stahn echt ist?«, fragte Renke eisig.
Kessler war bestürzt. »Was denn sonst?«
»Sie sind ein Dummkopf, Ulrich«, bemerkte sein Gesprächspartner ausdruckslos. »Haben Sie sich überhaupt die Mühe gemacht, die Geschichte zu überprüfen, bevor Sie ängstlich zu mir
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