Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
mit einer Kopfbewegung zu der Meldung, die immer noch auf Malkowitschs Laptop angezeigt wurde.
Der Wissenschaftler überflog die Warnung vor einem bevorstehenden amerikanischen Angriff. Eine seiner dünnen, weißen Brauen hob sich in mildem, verdrießlichem Staunen. »Bedauerlich«, murmelte er. Dann blickte er über die Schulter zu Brandt. »Wir gehen?«
»Korrekt.«
»Wann?«
»In ein paar Minuten«, erwiderte der Mann mit den grauen Augen. »Hol das, was du aus deinem Büro brauchst, so schnell du kannst.« Kühl deutete er mit dem Kopf auf Malkowitsch, der immer noch vornübergebeugt auf seinem Stuhl saß. »Nimm ihn mit. Und behalt ihn im Auge, Professor. Seine Mittel und Beziehungen könnten uns noch von Nutzen sein.«
Damit drehte Brandt sich um und marschierte mit der schussbereiten Pistole in der Hand in den Aufenthaltsraum.
Renke sah ihm einen Moment nach, ehe er sich dem erschütterten Milliardär widmete. »Kommen Sie, Mr. Malkowitsch. Hier entlang.«
Wie betäubt stand Malkowitsch auf, nahm seine Aktentasche und seinen Laptop und folgte dem Waffenspezialisten durch den Hauptflur.
In seinem fensterlosen Büro angekommen ging Renke eilig durch das Zimmer zu den Bücherschränken, die seinen tiefgekühlten Wandsafe verbargen. Nachdem er seinen Code eingegeben hatte, legte er den Daumen auf den eingebauten Fingerabdruckscanner. Kalter Dampf trat aus, als die Tür aufschwang.
Im Haus fielen Schüsse, deren Krachen von den dicken, schalldichten Wänden gedämpft wurde. Gellendes Geschrei und Geheul ertönte. Doch als die kurze Salve verstummte, waren in der jähen, gespenstischen Stille nur noch vereinzelte Jammerlaute zu hören, und das Weinen eines Mannes, der vor lauter Entsetzen in Tränen ausgebrochen war. Eine Pistole bellte dreimal. Dann herrschte absolute Ruhe.
»Mein Gott!«, ächzte Malkowitsch. »Die Marines sind schon da!« Die Aktentasche mit den Informationen über Dudarews Angriffspläne und seine Verwicklung in HYDRA an die Brust gepresst, als könnte sie ihn vor amerikanischen Kugeln schützen, drückte Malkowitsch sich an die nächste Wand.
Renke schnaubte verächtlich. »Beruhigen Sie sich. Das war nur Brandt, der meine armen Assistenten eliminiert hat.« Er streifte einen schweren Handschuh über und zog das Gestell mit den Ampullen aus dem Safe. Sorgfältig legte er sie in eine Kühlbox.
Zufrieden lächelte er auf die Reihe der speziell angefertigten HYDRA-Varianten hinab. Die Aufkleber auf den durchsichtigen Glasröhrchen trugen verschiedene Namen, viele davon russisch. In weniger als vierundzwanzig Stunden taugte das Material in Malkowitschs Koffer als Druckmittel gegen Viktor Dudarew nichts mehr. Wenn die russischen Truppen und Panzer die Grenze erst überschritten hatten, brauchte der Kremlchef das Bekanntwerden seiner Pläne nicht mehr zu fürchten. Dann konnte er mit dem angstschlotternden Milliardär machen, was er wollte.
Immer noch zufrieden vor sich hin lächelnd schloss der Wissenschaftler den Behälter und versiegelte ihn. Malkowitsch war verloren, ob er es wusste oder nicht. Doch die nicht nachweisbaren,
tödlichen Waffen in den Ampullen machten ihn, Wulf Renke, für Dudarew und seine Freunde zum Herrn über Leben und Tod.
Lieutenant Colonel Smith kauerte hinter der Motorhaube von Randi Russells Mietwagen, einem dunkelgrünen, viertürigen Volvo. Das Auto stand quer auf der zweispurigen Fahrbahn und blockierte die Hauptstraße, die um das zerklüftete Vulkanplateau, auf dem Orvieto stand, herumführte. Die Straße, die Strada Stratale No. 71, gabelte sich an dieser Stelle; eine Abzweigung führte zum Bahnhof, in der unteren Stadt, und weiter ostwärts in die Vorberge der fernen Apenninen. Die andere wand sich an der Seite des massiven Felsens empor und endete schließlich in der Stadt oben auf dem Felsen, in Orvieto selbst.
Smith schaute nach links. Dort zeichnete sich das Plateau ab, als riesiger schwarzer Schatten vor einem sternenhellen Himmel. Gleich nach der Gabelung stieg das Terrain zu einem grasbewachsenen Steilhang an, der mit einigen kleinen Bäumen und verdorrten Büschen bestanden war. Vor einer hoch aufragenden Wand aus porösem, weichem Tuff, einer Mischung aus Kalkstein und Basalt, endete der Hang abrupt.
Dann sah er nach rechts. Einige Meter entfernt kniete Kirow, die Heckler & Koch MP5 mit beiden Händen umfasst, im Schutz des Volvo. Der Russe bemerkte seinen Blick und nickte gelassen, um ihm zu zeigen, dass er bereit war. Auf der anderen
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