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Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Titel: Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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vermischter Mergel, und so konnte ich da und dort den Abdruck immer desselben Fußes entdecken, einmal seewärts gerichtet, dann wieder aufsteigend. An diesem Morgen hatte also kein anderer den Weg beschritten. An einer Stelle fiel mir der Abdruck einer offenen Hand auf, die Finger wiesen hangaufwärts. Das konnte nur bedeuten, daß der arme McPherson beim Aufstieg gefallen war. Es gab auch runde Abdrücke, die darauf schließen ließen, daß er mehrmals in die Knie gesunken war. Am Ende des Pfads hatte das zurückwei chende Wasser eine recht ausgedehnte Lagune hinterlassen. Daneben hatte sich McPherson ausgezogen, denn hier auf einem Felsstück lag sein Handtuch. Es war zusammengefaltet und trocken, und so schien es möglich, daß er gar nicht im Wasser gewesen war. Einige Male stieß ich in Sandstellen im Geröll auf Abdrücke seines Leinenschuhs und auch seines nackten Fußes. Die letzteren bewiesen, daß er sich zum Baden vorbereitet hatte, wenn auch das trockene Handtuch die Vermutung nahelegte, daß er nicht ins Wasser gegangen war.
      Nun stand das Problem klar umrissen vor mir ein Problem, das so ungewöhnlich war wie nur je eines, dem ich mich früher gegenübergesehen hatte. Der Mann hatte nicht länger als höchstens eine Viertelstunde am Strand zugebracht. Stackhurst war ihm vom Haus ›Zu den Giebeln‹ nachgefolgt; so konnte in dem Punkte kein Zweifel bestehen. McPherson wollte baden und hatte sich entkleidet, wie der Abdruck der nackten Füße bezeugte. Dann warf er sich plötzlich wieder in seine Kleider – unordentlich, er schloß die Knöpfe nicht, und die Schuhe band er auch nicht zu – und kehrte, ohne gebadet, jedenfalls ohne sich abgetrocknet zu haben, wieder um. Und der Grund für diese Änderung der Absichten lag darin, daß man ihn irgendwie auf grausame, unmenschliche Weise gegeißelt, ihn derart gequält hatte, daß er sich in der Agonie die Lippe durchbiß, und man hatte erst von ihm abgelassen, als ihm nur noch die Kraft geblieben war, fortzukriechen, um zu sterben. Wer hatte diese barbarische Tat begangen? Es gab kleine Grotten und Höhlen hier unten zwischen den Klippen, aber die Strahlen der schwachen Sonne fielen direkt in sie hinein, so daß sich dort niemand versteckt halten konnte. Dann waren da noch die Gestalten am Strand. Aber die schienen zu weit entfernt, man konnte sie nicht mit dem Verbrechen in Verbindung bringen, und außerdem lag die breite, bis zum Fels reichende Lagune, in der McPherson hatte baden wollen, trennend zwischen ihnen und ihm. Auf dem Meer schwammen zwei oder drei Fischerboote in nicht zu weitem Abstand vom Land. Die Besatzungen würden bei passender Gelegenheit befragt werden. So gab es für die Untersuchung verschiedene Wege, aber keinen, der ein klarumrissenes Ziel erkennen ließ.
      Als ich schließlich zu der Leiche zurückkehrte, sah ich, daß sich eine kleine Gruppe Wanderer dort angesammelt hatte. Natürlich stand Stackhurst noch da, und Murdoch war soeben mit dem Dorfkonstabler Anderson eingetroffen, einem großen Mann mit gelblichem Schnurrbart von der langsamen, soliden Art der Leute von Sussex, die hinter schwerfälligem, schweigsamem Äußeren viel gesunden Menschenverstand verbirgt. Er hörte zu, schrieb sich alles auf, was wir sagten, und zog mich schließlich beiseite.
      »Ich wäre froh, wenn Sie mir raten könnten, Mr. Holmes. Die Sache ist ein paar Nummern zu groß für mich, und wenn ich was falsch mache, hängt mir Lewes das an.«
      Ich riet ihm, seinen unmittelbaren Vorgesetzten und einen Arzt zu benachrichtigen, ferner, dafür Sorge zu tragen, daß nichts von seinem Platz bewegt würde und daß möglichst wenig neue Fußspuren hinzukämen. Ich durchsuchte dann noch die Taschen des Toten. Ich fand ein Taschentuch, ein großes Messer und ein kleines Visitenkartentäschchen, aus dem ein Stück Papier ragte. Ich entfaltete es und übergab es dem Konstabler. Da stand in krakliger weiblicher Handschrift: »Ich werde dasein, auf jeden Fall – Maudie.« Das deutete auf eine Liebesaffäre, auf ein Stelldichein, wenn wir auch über Ort und Zeit nichts wußten. Der Konstabler steckte den Zettel wieder in das Täschchen und schob es mit den anderen Sachen zurück in eine Tasche des Burberry. Dann – da mir sonst nichts zu tun blieb – ging ich zu meinem Haus, um zu frühstücken, nicht ohne jedoch dafür gesorgt zu haben, daß auch unten bei den Klippen alles gründlich abgesucht würde.

    Stackhurst kam nach geraumer Zeit bei mir

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