Das Puppenzimmer - Roman
erinnerte ich mich an dieses Feuer – nur an das Feuer und sonst an nichts, aber in diesem Moment gab es für mich auch nichts als das Feuer. Die Luft über ihm flimmerte und funkelte, tausend winzige Sterne tanzten, glitzerten darin, keine Funken, sondern lebendig wie unzählige Glühwürmchen, dass ich am liebsten danach gegriffen hätte, aber ich hielt die Puppe in der Hand und wusste, dass ich sie nicht loslassen durfte.
»Warte hier.« Rufus durchquerte das Zimmer, um an seinem anderen Ende eine mit Silber beschlagene Truhe zu öffnen. Auch ohne seine Worte wäre ich wie angewurzelt stehen geblieben, wo ich war. In dem Moment, als ich Rufus durch die flimmernde Luft sah, geschah etwas mit ihm, er veränderte sich. Er war nicht mehr der bleiche Mensch in dem Bestatteranzug. Sein Haar war vorher schon dunkel gewesen, aber jetzt war es schwärzer als schwarz, und statt des schlichten Anzugs trug er einen schwarzen Gehrock mit silberner Stickerei. Sein Gesicht war so schön, dass ich es kaum erfassen konnte, mit schmalen Zügen, steilen Wangenknochen und Ohren, die nach oben hin spitz zuliefen, die Haut porzellanweiß wie bei meinen Puppen. Aber das Unglaublichste waren seine Augen. Sie waren groß und von strahlendem Purpur, wie es kein sterblicher Mensch haben konnte. Ich erkannte seinen Blick – doch das, was man immer hinter seinen anderen Augen erahnt hatte, so direkt vor mir zu sehen, wahrhaftig und ohne Maske, war etwas ganz anderes. Ehe ich begriff, was ich tat, war ich auf die Knie gegangen, den Blick zu Boden gewandt, weil ich diese Schönheit nicht länger ertragen konnte.
»Ah«, sagte Rufus. »Endlich weißt du wieder, was sich gehört, wenn du deinem Fürsten gegenüberstehst. Ich gestatte dir, dich zu erheben.« Durch das Feuer klang auch seine Stimme anders, voller, melodischer, und vor allem herrschaftlicher. Es war eine Stimme, der man sich nicht widersetzen konnte.
Ich stand langsam auf, die Puppe immer noch an mich gepresst, als müsste ich sie vor Rufus beschützen. »Sire«, sagte ich und wusste nicht, auf welchem Weg das Wort in meinen Mund geraten war, »sehe … sehe ich hier auch so aus?«
Rufus schnaubte leise und klang dabei endlich wieder wie der, den ich kannte. »Du siehst aus, wie du immer aussiehst, und was mich betrifft, ich tue das auch. Aber durch das Feenfeuer wirst du meiner wahren Gestalt gewahr, die sonst in diesen Körper gezwungen ist. Es macht das, was nicht Fee ist, unsichtbar. Vor dem Feenfeuer gibt es nur uns. Aber wenn du fragen willst, ob ich dich hier in deiner Feengestalt sehen kann – was denkst du denn, wie ich dich im Waisenhaus erkannt habe?«
Ich biss mir auf die Lippen und traute mich fast nicht zu fragen. »Haben Sie vielleicht einen Spiegel für mich?«
»Nein«, sagte Rufus. »Wir sind nicht hier, um deine Eitelkeit zu befriedigen, und auch nicht, damit du wieder in Ohnmacht fällst, weil du auf deinen eigenen Anblick nicht vorbereitet bist. Du bist hier, um zu arbeiten.« Er entnahm der Truhe eine große silberne Schale und setzte sie über das Feuer. Sie hielt von selbst, mitten in der Luft, ohne Ketten oder Ständer, als wäre es das Normalste der Welt, dass sie schweben konnte. Ich fragte nicht, wie Rufus das machte. Aus einem Krug, ebenfalls silbern, goss er klares Wasser in die Schüssel. Ich erwartete, dass es sofort zu kochen beginnen würde, so heiß fühlte ich das Feuer, aber die Oberfläche kräuselte sich noch nicht einmal, und es begann auch nicht zu dampfen.
»Tritt näher«, sagte Rufus. »Schau her. Aber sieh nicht in das Wasser, bevor ich es dir erlaube. Es könnte dir dein Spiegelbild stehlen, bevor du es auch nur einmal gesehen hast.«
Vorsichtig ging ich an das Feuer heran. Es verbrannte mich nicht, obwohl der Saum meines Kleides jetzt ganz nah an den Flammen war, und ich fühlte die Hitze, ohne dass sie schmerzte. Ich wünschte mir, die Puppe könne die Wärme auch spüren und endlich das begreifen, was ich ihr die ganze Nacht über zu sagen versucht hatte: dass die Welt schön sein konnte, dass es Liebe gab, sogar für sie. Doch für die Puppe schien das Feuer ebenso wenig zu existieren wie ich, sie blieb gefangen in ihrem eigenen Leid.
»In diesem Bassin wirst du den Kokon aufweichen, damit du die Seide abwickeln kannst«, sagte Rufus, und ich wollte schon die Puppe hineinlegen, um es so schnell wie möglich hinter mich zu bringen, als er eisig hinzufügte: »Ich bin noch nicht fertig!«
Erschrocken machte ich einen
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