Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
nicht Hand an, aber es lief auf dasselbe hinaus. Egwene hatte gesagt, er beobachte jede Hinrichtung mit einer Miene, so kalt und hart wie die fernen Berge. Das sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Er war immer ein sanftmütiger Junge gewesen. Was auch in der Wüste mit ihm geschehen sein mochte, zum Besseren hatte es ihn nicht verändert.
Nun ja, Rand war weit weg, und ihre eigenen Probleme – ihre und die Elaynes – waren weit von einer Lösung entfernt. Der Eldar lag keine Meile entfernt im Norden. Eine einzige Steinbrücken spannte sich auf hohen Metallpfeilern über den Fluss. Kein Rostfleck zeigte sich auf den glänzenden Streben. Sicher waren auch das Überreste einer fernen Zeit, vielleicht sogar eines früheren Zeitalters. Sie war um die Mittagszeit hinübergegangen, gleich nach ihrer Ankunft, aber auf dem Fluss war kein Schiff zu sehen, das diese Bezeichnung wert war. Ruderboote hatte sie gesehen, kleine Fischerkähne, die nahe den schilfbewachsenen Ufern lagen, ein paar eigenartige, schmale Boote, die von knienden Männern mit jeweils einzelnen Paddeln schnell über das Wasser getrieben wurden, und sogar einen breiten Lastkahn, der im Schlamm festzustecken schien. Auf beiden Seiten war überhaupt sehr viel Schlamm zu sehen, zum Teil eingetrocknet, hart und rissig, doch das war nach dieser unwahrscheinlichen, langanhaltenden Hitze ja kein Wunder. Jedenfalls sah sie nichts, was sie hätte schnell Flussabwärts befördern können. Allerdings wusste sie immer noch nicht, wohin sie sich überhaupt wenden sollten.
Sosehr sie sich auch den Kopf zerbrach, sie kam einfach nicht mehr auf den Namen dieser Stadt, in der sich die Blauen Schwestern wahrscheinlich befanden. Sie hieb wütend nach einer Pusteblume, die daraufhin zerbarst und viele kleine weiße Federchen freigab, die langsam zu Boden sanken. Wahrscheinlich waren sie mittlerweile gar nicht mehr dort, wenn sie sich denn je dort befunden hatten. Doch es war der einzige Hinweis auf einen Ort gewesen, der näher als Tear lag. Wenn sie sich nur daran erinnern könnte!
Das einzig Gute an der gesamten Reise Richtung Norden war, dass Elayne aufgehört hatte, mit Thom zu flirten. Es war kein einziges Mal mehr vorgekommen, seit sie sich der Artistentruppe angeschlossen hatten. Zumindest hätte sie sich darüber gefreut, wenn Elayne nicht so getan hätte, als sei überhaupt nie etwas gewesen. Gestern hatte Nynaeve dem Mädchen schließlich dazu gratuliert, dass sie wieder zur Besinnung gekommen sei. Und was hatte ihr Elayne kühl geantwortet? »Willst du auf den Busch klopfen, ob ich dir und Thom im Wege stehe, Nynaeve? Er ist ein bisschen zu alt für dich, und ich hatte auch geglaubt, du hättest deine Gefühle anderswo investiert, doch schließlich bist du ja alt genug, um deine eigenen Entscheidungen zu treffen. Ich mag Thom einfach, und ich denke, er mag mich genauso. Ich betrachte ihn als eine Art zweiten Vater. Wenn du mit ihm flirten willst, hast du meine Erlaubnis. Aber ich hatte dich eigentlich für etwas weniger flatterhaft gehalten.«
Luca hatte vor, am Morgen den Fluss zu überqueren, und Samara, die kleine Stadt auf der anderen Seite, in Ghealdan, war alles andere als ein guter Aufenthaltsort. Luca war seit ihrer Ankunft die meiste Zeit des Tages über in Samara gewesen, um einen Platz zu finden, an dem sie alles aufbauen konnten. Ihm bereitete es lediglich Kopfzerbrechen, dass bereits etliche andere Menagerien vor ihnen dort angekommen waren, und er war nun auch nicht mehr der Einzige, der außer den Tieren noch weiteres zu bieten hatte. Deshalb hatte er auch so hartnäckig darauf bestanden, dass sie als Ziel für Thoms Messerkunststücke dienen solle. Sie hatte wohl Glück, dass er nicht verlangte, sie sollten das auch noch zusammen mit Elayne auf dem Hochseil vollführen. Der Mann schien zu glauben, das Allerwichtigste auf der Welt sei, dass seine Vorführungen größer und besser als alle anderen waren. Was sie mehr beunruhigte, war die Anwesenheit des Propheten in Samara. Seine Anhänger überschwemmten die Stadt und wohnten teilweise in Zelten und Hütten außerhalb des Orts, in einer Barackenstadt, die selbst die nicht unerhebliche Größe Samaras noch übertraf. Die Stadt wurde durch eine hohe Steinmauer geschützt, und auch die meisten Gebäude waren aus Stein erbaut. Es gab dort sogar dreistöckige Häuser, und man sah viel mehr Schiefer- oder Ziegeldächer als strohgedeckte.
Auf dieser Seite des Eldar waren die Zustände aber auch nicht
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