Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Rattenloch

Das Rattenloch

Titel: Das Rattenloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
flink, und sie liefen genau in der Spur.
    Neben mir hörte ich ein Geräusch. Es klang, als müsste sich Maxine Wells übergeben.
    Ich schaute sie von der Seite her an.
    Maxine war totenbleich geworden. Auch in der Dunkelheit zu sehen. Ihr Gesicht wirkte wie das einer Toten. Aber sie war nicht tot, ich hörte ihren leisen Atem.
    Ihre Lippen bewegten sich. Sie sagte etwas. Zu leise, um von mir verstanden werden zu können.
    »Was hast du?«, fragte ich.
    Anstatt eine Antwort zu geben, hob sie den rechten Arm an. Sie streckte auch den Zeigefinger nach vorn, und ich sah, wie er zitterte. Sie deutete auf den Waldrand und meinte damit bestimmt nicht nur die Bäume, sondern auch die nackte Gestalt.
    »Ich«, flüsterte sie, »ich... ich... kenne sie...«
    »Und?«
    »Sie heißt Florence.«
    »Okay, aber das ist nicht alles – oder?«
    »Nein, ist es nicht«, sagte sie mit kaum verständlicher Stimme. Sie wollte sprechen, was ihr nicht gelang. Die Haut an ihrem Hals begann zu zucken. Erst nach einer Weile gelang es ihr, die richtigen Worte zu finden. Sie schlugen bei mir ein wie eine Bombe.
    »Florence ist meine Schwester!«
    Überraschungen gibt es immer. Ich kannte das. Diese allerdings gehörte zu einer, die mich wirklich traf. Ich war nicht darauf vorbereitet gewesen. Klar, ich hatte den Eindruck gehabt, dass sie mir etwas verschwieg, doch mit dieser Lösung hatte ich beim besten Willen nicht rechnen können.
    »Das kann doch nicht wahr sein«, flüsterte ich. »Das... das... ist einfach unmöglich.«
    »Nein, John, es ist die Wahrheit. Florence ist meine Schwester. Das musst du mir glauben.«
    Ich nickte nur, während mir zahlreiche Fragen und Gedanken durch den Kopf schossen.
    Maxine hatte sich in den Sitz zurückgedrückt und hielt die Augen geschlossen.
    »Du wusstest es?«
    Sie schluckte und nickte. »Ich habe es geahnt, ich habe es gewusst, aber wenn ich ehrlich bin, habe ich es nicht wissen wollen. So einfach ist das. Ich habe mich irgendwie geweigert. Ich habe mich dagegen gewehrt, aber ich muss es akzeptieren. Florence hat die Ratten befreit, und Florence lebt auch mit ihnen. Sie muss die beste Freundin der Ratten sein. Anders kann ich es mir nicht erklären.«
    »Ja, so sehe ich das auch.«
    »Sie steht ganz im Dienst der Tiere. Sie war schon immer so. Ich ebenfalls. Aber ich habe meine Tierliebe in die richtigen Bahnen lenken können, sie nicht. Ich wurde Tierärztin, und ich bin stolz darauf, vielen Tieren und damit auch Menschen helfen zu können. Bei Florence ist das anders. Sie wollte den Tieren auch zur Seite stehen, aber sie ging dabei den falschen Weg.«
    »Den radikalen?«, fragte ich.
    »Ja. Den sehr radikalen. Ich weiß es nicht genau, aber es ist möglich, dass sie eine Mörderin ist. Dass durch ihre Hand Menschen starben, die sich an Tieren vergriffen. Es gab für sie nichts anderes. Sie ist so verdammt extrem geworden.«
    »Und sie trägt keine Kleidung«, sagte ich leise.
    »Ja, auch das.«
    »Hat es einen Sinn?
    »Keine Ahnung. Die Antwort musst du selbst herausfinden, John. Für sie hatte alles einen Sinn, was mit Tieren zusammenhing. Ich denke auch, dass sie sich von den Menschen unterscheiden wollte und sich deshalb so gibt. Menschen brauchen Kleidung, Tiere nicht, und sie fühlt sich mehr als Tier.«
    »Okay, wir werden sehen.«
    Maxine wollte nicht mehr sprechen. Sie schaute stumm durch die Scheibe und sah das gleiche Bild wie ich.
    Florence hatte den Wald längst verlassen und war auf dem Weg hin zu uns. Sie ging dabei langsam. Ihre nackten Füße schleiften durch das Gras.
    Ratten waren an ihrer Seite. Sie rahmten sie ein. Sie liefen vor ihr her, aber auch neben ihr und hinter ihrem Rücken. Perfektere Schützer und Begleiter hätte sie sich kaum aussuchen können. Ich selbst hatte erlebt, wie sehr ihr die Ratten zugetan waren. Wie kleine Kinder, die sich um eine Mutter scharten.
    Ich konnte nicht darauf setzen, dass Maxine ihre Schwester war und sie deshalb den Plan aufgeben würde. Nein, das war alles falsch. Sie hatte sich etwas vorgenommen, und sie würde es bis zum bitteren Ende durchziehen. Mir war auch klar, dass sie den Ratten den Befehl gegeben hatte, die Menschen zu töten. Sie wollte Rache für das, was den Tieren angetan worden war. Dabei spielte es für sie keine Rolle, ob sie Schuldige oder Unschuldige erwischte. Mensch war für sie Mensch. Ich zählte ebenfalls dazu. Nur das Verhältnis zu Maxine sah ich anders, aber auch da konnte ich mich irren.
    Florence hatte mehr als

Weitere Kostenlose Bücher