Das sag ich dir
meine Arme, Mann.«
Er drückte mich eine Weile und sagte schließlich: »Du weißt, dass du das richtige Outfit brauchst, oder? Sonst kommst du nur nackt bis auf die Haare auf deinen Eiern rein, und ich kann dir sagen, da zieht es nicht nur wie Hecht-, sondern wie Haisuppe. Henry und Miriam helfen dir bestimmt. Ich freue mich darauf«, sagte er. »Mein Comeback und dein Coming-out.«
»Wohl wahr.«
Er tippte sich an die Nase: »Wir beiden, wie? Echte Kumpel!«
DREIUNDDREISSIG
Vor dieser Demütigung konnte ich zum Glück noch eine Verschnaufpause einlegen, denn Ajita und ich hatten endlich beschlossen zu verreisen.
Der Urlaub war Mustaqs Geschenk an sie. Ajita hatte seit langem nach Venedig fahren wollen, und sie bat mich, sie zu begleiten. Sie wartete nervös auf meine Reaktion und befürchtete, ich könnte ablehnen, weil ich ihr immer noch nachtrug, dass sie mich nach dem Tod ihres Vaters verlassen hatte. Oder schlimmer, dass ich jetzt, nachdem sie wieder aufgetaucht war, enttäuscht von ihr sein könnte. Obwohl es natürlich wahrscheinlicher war, dass ich sie enttäuscht hatte.
Mehr als drei Nächte konnte ich nicht fortbleiben, sagte ihr aber, dass ich gern mitkommen wolle. Wir hatten seit unserer Wiederbegegnung zwar regelmäßig telefoniert - über ihren Bruder, meine Arbeit geredet, und darüber, was man ihrer Meinung nach in London sehen sollte -, uns aber nur einmal in der Stadt getroffen. Ich war nervös. Während des Wochenendes bei Mustaq hatte ich das Gefühl gehabt, sie würde mich schon als zukünftigen Liebhaber erwägen, eine Rolle, die ich im Moment weder bei ihr noch bei jemand anderem ausfüllen konnte; ich dachte immer noch an Josephine. Vielleicht war Mustaq darauf bedacht, ihr dabei zu helfen, jemanden zu finden, sowohl um ihretwillen als auch um seinetwillen, denn er wirkte oft genervt von ihr.
Mustaqs Sekretär buchte zwei Zimmer im Danieli. Ajita kam bei mir vorbei, um mich zum Flughafen abzuholen. Es gab zwei Taxis, eines für uns, das andere für ihr Gepäck.
Während ich zu Ende packte, kochte sie Kaffee. »Ich habe ja nie gesehen, wo du als Erwachsener gelebt hast«, sagte sie. »Riecht es hier immer nach Toast? Die Wohnung hier muss dringend saniert werden, sie fällt ja auseinander. Wenn du nichts tust, wird sie an Wert verlieren. Ich suche dir einen Bauunternehmer.«
Sie bat um Erlaubnis, bevor sie Schubladen aufzog, in Schränke schaute, Dinge zur Hand nahm und fragte, woher ich sie habe. Sie wollte Josephines Zeichnungen und Fotos von ihr und Rafi sehen, die sie lange betrachtete. »Eine glückliche Familie. Ihr seht so aus, als hättet ihr euch miteinander wohlgefühlt«, sagte sie. »Irgendwie kennen wir uns, und gleichzeitig sind wir einander fremd. Wer sind Sie wirklich, Mr K?«
Nachdem der Schock des ersten Wiedersehens verflogen war, gingen wir gelassener miteinander um. Sie war nicht mehr die sorgenvolle, gealterte Frau, sondern ein wenig wie früher an der Uni, lachend und begeistert, und erhoffte sich trotz allem nur das Beste von der Welt. Und ich war inzwischen wohl weniger misstrauisch.
Im Danieli Tee zu trinken, dürfte eines der herrlichsten Erlebnisse sein, die man haben kann. Der Ausblick ist einer der beruhigendsten, die ich kenne. Ajita und ich unternahmen Arm in Arm Bootsfahrten, schlugen in Fremdenführern nach, besuchten den Lido und schauten uns in leeren Kirchen die Tiepolos und Tintorettos an. Da es kalt war, trug sie Stiefel, Pelzmantel und Pelzmütze, aber morgens schien immer die Sonne. So viel Ruhe und Frieden hatte ich seit langem nicht mehr genossen.
Ajita bestand darauf, mir neue Sachen zu kaufen. Sie kleidete mich ein und führte mich durch die teuersten Läden, wobei sie mich darüber in Kenntnis setzte, dass meine Garderobe »Hilfe« nötig habe. Wir entdeckten Uhren mit Bildern auf dem Zifferblatt, die das Treffen zwischen Nixon und Elvis im Jahr 1970 und Presley in seiner Phase der Riesenkragen, breiten Gürtel und Glitzerkostüme zeigten. Ajita kaufte mir eine, da ich meine letzte, wie sie es ausdrückte, »verloren« hatte. Es stimmte, dass ich mir noch keine neue Uhr gekauft hatte. Mein Handy zeigte die Uhrzeit an, und in meinem Behandlungszimmer stand ein Wecker auf dem Regal über der Couch. Sie kaufte auch eine für Mustaq und amüsierte sich mehr als ich darüber, dass wir nun identische Uhren besaßen.
Nachmittags, wenn sie ein Nickerchen hielt, schrieb ich in ihrem Zimmer und las zum ersten Mal Tanazaki. Ich staunte über
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