Das Salz der Mörder
Einzelheiten des
Jugendcenters abgebildet. Im Erdgeschoss hatten wir einen überdimensionalen
Spiel-, Freizeit- und Sportkomplex eingerichtet. Behinderte und nichtbehinderte
Kinder und Jugendliche sollen bei uns ohne Vorbehalte und Berührungsängste
gemeinsam ihre Freizeit gestalten. Besonderer Wert haben wir dabei auf den
Breitensport gelegt. Therapie-, Behandlungs- und Gruppenräume erstrecken sich
über den gesamten ersten Stock. Die darüber liegenden drei Etagen sind für
Schlafräume, Krankenzimmer, Vorratskammern und Unterkünfte für die
ehrenamtlichen Mitarbeiter vorgesehen. Unsere Devise lautet: Das K.I.D.S. ist
für Kinder und Jugendliche aller Nationen und Religionen - ob gestrauchelt oder
nicht - offen, frei und kostenlos. Die künftige Finanzierung unseres
Unternehmens soll ausschließlich durch Spenden erbracht werden. Profite dürfen
nicht erwirtschaftet werden. Deshalb rufen unsere Ärzte, Psychologen und
Sozialarbeiter regelmäßig und bei jeder Gelegenheit, in jedem Medium um
freiwillige Zuwendungen für die VeraTed-Foundation auf. Wir wollen versuchen
kriminell gefährdete, obdachlose und straffällig gewordene Kinder und
Jugendliche von der Straße in das K.I.D.S. zu holen. Würde unser Pilotprojekt
auch nur einen kleinen Betrag für die positive Entwicklung dieser Kinder und
zur Befriedung der Berliner Metropole leisten können, sind weitere K.I.D.S in
Großstädten wie Hamburg, Frankfurt, Dresden und München geplant. Mit dem
Grundvermögen von fünfzig Millionen Dollar ist die VeraTed-Foundation in der
Lage jeder der weiteren aus-gewählten Städte einen Betrag von umgerechnet zirka
zwanzig Millionen Mark für die Anmietung oder den Kauf und dem Ausbau
entsprechender Einrichtungen zur Verfügung zu stellen. Die Zinsen aus dem
bestehenden Kapital sind für Reparatur, Unterhalts- und Werbekosten eingeplant.
Kalle
ist seitdem ein sehr gefragter Geschäftspartner. Nebenbei hat er mein
Grundstück in Waldfrieden schön hergerichtet - ich habe Fotos. Das Häuschen
wurde von innen und außen großzügig renoviert und wartet nun auf uns. Außerdem
pflegt er unser Familiengrab. Die sterblichen Überreste meines Vaters, die man
kürzlich in Bautzen entdeckte, sind endlich nach Waldfrieden überführt worden.
Nun liegen sie alle zusammen, zu guter Letzt – Vati, Mutti und Omi, unter dem
sandigen Schutz der märkischen Erde.
Mein
Freund Kalle ist dermaßen mit Arbeit ausgelastet, dass das Taxi- und
Transportunternehmen seine Frau allein führen muss. Wie sie beide behauptet,
bereiten ihnen die neuen Aufgaben große Freude und Herausforderung. Ich glaube
das. Die Zwei waren schon immer Arbeitstiere gewesen, im Gegensatz zu mir.
Im
kommenden Jahr wird Vroni David Sharrock kennen lernen. Er lässt sich nach
Beendigung seiner Dienstzeit in Ghana aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig
pensionieren. Er will sich unser Land ansehen und dann entscheiden, ob er
Stevens Erbe hier oder anderswo verleben wird. Unter keinen Umständen aber in
England, wie er mir hoch und heilig versicherte. Ich freue mich auf ihn. Vor
allem könnte er Vroni an lauwarmen Abenden ausgiebig und detailliert über die
Geschichte Ghanas unterweisen. Eigenartigerweise erwähnte er beim letzten Anruf
seine rothaarigen Peggy überhaupt nicht. Ob er noch mit ihr zusammen ist?
Sehr
verehrte Frau Schwarzkopf, ich hoffe baldigst von Ihnen zu hören. Bitte geben
Sie mir einen Rat - in unserem beiderseitigen Interesse. Was soll ich mit dem
Manuskript tun? Veronika meint, ich hätte das selbst zu entscheiden. Sie
akzeptiert mich so wie ich bin, selbst meine Zweifel und Unzulänglichkeiten.
Und dafür liebe ich sie. Ich liebe sie für ihre Akzeptanz und ihren Respekt,
ich liebe sie für ihre Hingabe und ihren Verzicht. Diese einfache Formel sollte
nicht nur zwischen Mann und Frau gelten. Diese Formel müsste ebenso Gültigkeit
haben zwischen allen Menschen, zwischen allen Völkern und Nationen, allen
Rassen und Religionen dieser Erde. Indessen befürchte ich, dass Begriffe wie
Akzeptanz, Respekt, Hingabe und Verzicht bedauerlicherweise selbst den
Weltbeamten der Vereinten Nationen nicht allzu geläufig sind - bis heute
jedenfalls.
Glauben
Sie, meine letzten Worte klingen zu pathetisch? Wie dem auch sei, liebe Frau
Schwarzkopf, ich werde nun mein Schreiben beenden. Steven fängt an zu
protestieren. Er ist jetzt zweieinhalb Jahre alt. Maria hätte ihm doch schon
längst sein Essen geben sollen.
Wahrscheinlich
werde ich morgen wieder Angeln
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