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Das Salz der Mörder

Das Salz der Mörder

Titel: Das Salz der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Otto Stock
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gemessenen Schrittes an das Pult. Andächtig ließ sie ihren Blick
über den lautlosen Platz schweifen. Mit erhobenen Armen trat sie an das
Mikrofon.
    „Liebe
Gemeinde der Auserwählten des Erlösers, ich bin die erste verkörperte Seele
Brahma Babas“, begann sie ihre Ansprache, die durch den mehrfachen Widerhall
der Verstärkeranlage die unheimliche Atmosphäre noch steigerte. „Selbst die
modernsten Computer benötigen geschultes Bedienungspersonal. Darum müssen wir
verstehen, dass auch die gigantische Maschine, die wir als Kosmos bezeichnen,
von einem höchsten spirituellen Wesen gelenkt wird. Das ist Brahma Baba. Er
spricht durch mich und ich spreche für euch zu Ihm. Baba hat uns in dieser
Nacht in seiner ewigen, glückseligen und spirituellen Weisheit zusammenrufen
lassen, um erneut unsere Welt von einem unsagbaren und äußert widerwärtigem
Übel zu befreien. Hiermit erweisen wir unserem allwissenden Meister unsere
achtungsvolle Ehrerbietung, denn er hat uns unsere Augen, die durch die
Dunkelheit der Unwissenheit blind waren, mit der Fackel des Wissens geöffnet.
Baba, unser höchster Herr, betrachtet alle Lebewesen als seine Kinder - ganz
gleich, ob es sich um Menschen oder Tiere handelt. Der Vater gibt den Samen,
die Mutter empfängt ihn, und im Mutterleib bildet sich ein neuer Körper heran.
Nach der Vereinigung der Geschlechtszellen formt sich bereits in der ersten
Nacht ein erbsenähnlicher Körper. Allmählich entwickelt sich dieser Körper
weiter, und es entstehen neun Öffnungen: zwei Ohren, zwei Augen, zwei
Nasenlöcher, der Mund, das Geschlechtsteil und der Anus. Sobald der Körper
vollständig entwickelt ist, wird er geboren. Das ist der biologische Prozess
der Fortpflanzung, der gleichermaßen für Katze, Hund und Mensch gilt. Wird
dieser Prozess durch widernatürliche oder krankhafte Einwirkungen unterbrochen,
sind wir verpflichtet, wir, die Auserwählten des Erlösers, die Verantwortlichen
dafür zur Rechenschaft zu ziehen. Es ist uns von Brahma Baba zur Pflicht
gemacht worden, jene kranken Seelen zu eliminieren, die eine Gefahr für den
Fortbestand unserer Gemeinschaft darstellen. So wie die verkörperte Seele im
gegenwärtigen Leben verschiedene Körperformen durchläuft - von Kindheit zur
Jugend und dann zum Alter -, wechselt die Seele nach dem Tode in einen anderen
Körper über. Diesen Wechsel der Seelen, ich betone, von kranken Seelen, müssen
wir unter allen Umständen verhindern. Das ist unsere Mission. Dafür wurden wir
auserwählt.
    Liebe
Gemeinde der Auserwählten, wie wir wissen, besitzen wir seit langem ein
wirksames Mittel, um diesen Seelenwandel zu verhüten. Baba hat uns in dieser
Nacht durch seine immerwährende, glückstrahlende und übersinnliche Weisheit
zusammenkommen lassen, um abermals unsere Welt von einer heillosen und äußert
grauenhaften Seele zu befreien. Baba wir sind deine Diener. Wir lieben Dich und
danken Dir.
    Ich
bitte nun unsere vier männlichen Ehrengäste auf der Tribüne, aufmerksam den
weiteren Ablauf unserer Zeremonie zu verfolgen.“
    Nach
den letzten Worten hob sie ihren rechten Arm in die Höhe und kaum merklich
öffnete sich die dichtgedrängte Menge zu einem schmalen Durchgang, und der
Blick wurde frei vom Brunnen bis zur Hauptstraße, die ja bekanntlich
Brunnenallee hieß. Zugleich postierten sich die ersten zwei Glieder der
fackeltragenden Alten rechts und links in der engen Gasse, gefolgt vom dritten
Glied, das sich ringsum den Brunnen aufstellte. Zwei Dienerinnen schoben von
der Brunnenallee einen Rollstuhl in den offenen, düster beleuchteten
Menschenpfad. Langsam bewegte sich der Stuhl näher auf uns zu. In ihm saß
jemand, dessen Kopf mit einem Leinensack bedeckt und dessen linker
Unterschenkel fehlte. Ein Anketten der Arme schien unnötig zu sein, denn dieser
Mensch konnte mit Sicherheit nicht davonlaufen. Ich erkannte beim Näherkommen
die Gestalt des Peter Lutze, des homosexuellen Seminarteilnehmers aus Bremen,
der zu diesem Zeitpunkt seinen Urlaub auf den Malediven beenden wollte.
Komisch, dachte ich, was will ein Schwuler auf den Malediven? Der sollte doch
besser zur Antarktis reisen, dort trifft er unter Garantie einige Männer, die
etwas Wärme brauchen.
    Schritt
für Schritt rollte der metallene Stuhl auf den Brunnen zu. Die bedrohlich
leuchtenden Fackeln ließen sein Herankommen wie im Zeitlupentempo erscheinen.
Nun war der Brunnen erreicht. Der Rollstuhl wurde gestoppt und die Bremse
festgestellt. Dann riss man ihm den Sack vom

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