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Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Titel: Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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sein.«
»Na schön. Was willst du?«
»Chinaski, das bleibt aber jetzt ganz unter uns, ja?«
»Sicher.«
»Weiß du, ich halte eigentlich nichts von dem, was Typen wie du vertreten, oder was du da
versuchst.«
»Und?«
»Aber ich möchte dir sagen, wenn ihr in Europa und hier damit durchkommt, dann schließ ich
mich euch an.«
Ich konnte ihm nur ins Gesicht lachen.
    Ich ließ ihn stehen und ging weiter. Einem gepflegten Schnurrbart soll man nie über den Weg trauen.
    Noch andere hatten mir zugehört. Als ich aus meinem Kurs in Zeitgeschichte herauskam, stand Baldy da und hatte einen bei sich, der fünf Fuß hoch und drei Fuß breit war. Der Kerl hatte einen kugelrunden Kopf, der ihm tief zwischen den Schultern saß, kleine Ohren, kurzgeschorenes Haar, Knopfaugen und einen winzigen nassen runden Mund. Ein Spinner, dachte ich. Ein Killer. »HEY, HANK!« brüllte Baldy.
    Ich ging zu ihm hin. »Ich dachte, wir sind fertig miteinander, La Crosse.«
»Ach was! Für uns gibt’s noch große Dinge zu tun!«
Scheiße! Baldy war also auch einer!
    Warum lockte die Herrenrasse nichts als geistige und körperliche Krüppel an? »Ich möchte dir Igor Stirnoff vorstellen.«
    Ich gab dem Kerl die Hand. Er drückte sie mir mit voller Kraft. Es tat richtig weh.
    »Lass los«, sagte ich, »oder ich brech dir deinen verstunkenen Hals. Auch wenn du keinen hast.«
    Igor ließ meine Hand los. »Ich traue keinem Mann, der einen schlaffen Händedruck hat. Warum gibst du einem so schlapp die Hand?«
    »Ich hab heut meinen schwachen Tag. Beim Frühstück haben sie mir den Toast angebrannt,
und beim Lunch hab ich meinen Kakao verschüttet.«
Igor drehte sich zu Baldy um. »Was ist denn mit dem los?«
»Mach dir nichts draus. Er ist nur ein bißchen eigen.«
    Igor wandte sich wieder an mich. »Mein Großvater war Weißrusse. Während der Revolution haben ihn die Roten umgelegt. Ich muss mich an diesen Schweinehunden rächen.« »Verstehe.«
    Ein weiterer Kommilitone kam auf uns zu. »Hey, Fenster!« schrie Baldy.
    Fenster kam her. Ich begrüßte ihn mit einem schlaffen Händedruck. Ich hatte etwas gegen Händeschütteln. Ich erfuhr, dass er mit Vornamen Bob hieß, und dass es am Abend in einem Haus in Glendale eine Versammlung der »Americans for America« geben sollte. Fenster vertrat die Partei auf dem Campus. Als er wieder ging, flüsterte mir Baldy ins Ohr: »Das sind Nazis!«
    Wir trafen uns bei Baldy vor dem Haus. Igor kam mit dem Wagen und brachte eine Korbflasche voll Rum mit, die er herumgehen ließ. Das Zeug war stark, es verbrannte einem fast die Schleimhäute. Igor fuhr seinen Wagen wie einen Panzer, bei Rot über jede Kreuzung, die anderen Fahrer mussten voll auf die Bremse treten, und während sie ein Hupkonzert veranstalteten, drohte ihnen Igor mit einem schwarzen Spielzeugrevolver. »He, Igor«, sagte Baldy, »lass Hank mal deine Knarre ansehn.«
    Baldy und ich saßen auf dem Rücksitz. Igor reichte mir seinen Revolver nach hinten. Ich sah ihn mir an.
    »Ist er nicht klasse?« sagte Baldy. »Er hat ihn aus einem Stück Holz geschnitzt und mit Schuhcreme eingeschwärzt. Sieht wie echt aus, nicht?«
    »Yeah«, sagte ich. »Er hat sogar ein Loch in den Lauf gebohrt.« Ich gab Igor den Revolver zurück. »Nicht schlecht«, sagte ich.
    Er gab uns die Korbflasche nach hinten. Ich trank einen Schluck und gab sie an Baldy weiter. Er sah mich an und sagte: »Heil Hitler!«
    Es war ein großes stattliches Haus. Wir kamen als letzte an. Vor dem Eingang erwartete uns ein dicker lächelnder Bursche, der aussah, als habe er sein ganzes Leben am offenen Kamin verbracht und geröstete Kastanien gegessen. Seine Eltern waren anscheinend nicht da. Er nannte sich Larry Kearney. Wir folgten ihm durch das weitläufige Haus, und dann ging es eine lange dunkle Treppe hinunter. Ich sah nur noch seinen Kopf und die Schultern. Er war wirklich ein gutgenährter Bursche, und er wirkte wesentlich vernünftiger als Baldy, Igor und ich. Vielleicht konnte man hier noch etwas dazulernen.
    Dann waren wir im Keller. Jeder suchte sich einen Stuhl. Fenster nickte uns zu. Es waren noch sieben andere da, die ich nicht kannte. Auf einem Podium stand ein Schreibtisch. Larry ging hinauf und stellte sich hinter den Tisch. Die Wand hinter ihm war mit einem großen Sternenbanner drapiert. Larry nahm Haltung an. »Wir werden jetzt den Eid auf die Fahne der Vereinigten Staaten von Amerika sprechen!« O Gott, dachte ich, hier bin ich aber verkehrt!
    Wir standen auf und

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